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payoff Learning Curve

Exchangeable-Zertifikate: Hybride Gewinnertypen

01.02.2012 6 Min.
  • Martin Diethelm

In der letzten Ausgabe des payoff (12/2011) wurde in der Learning Curve die Funktionsweise von Wandelanleihen dargestellt und ihre Relation zu einigen Arten von verschiedenen Strukturierten Produkten aufgezeigt. Bislang nahezu unentdeckt ist das «Schwesterprodukt» zu Wandelanleihen: die Exchangeable-Zertifikate. Deren Charakter ähnelt sehr stark demjenigen der «Wandler». Trotz hohem Verwandtschaftsgrad bestehen einige wesentliche Unterschiede. Diese machen das Produkt noch interessanter für sicherheitsorientierte Anleger.

Gutes aus zwei verschiedenen Welten

Wie Wandelobligationen kombinieren auch Exchangeable-Zertifikate die positiven Eigenschaften von Aktie und Obligation: Vor einem Vermögensverlust ist der Halter eines Exchangeable-Zertifikates bei Verfall vollständig oder bis zu einem vorbestimmten Niveau geschützt, bei einer Aufwärtsphase profitiert er ab einem bestimmten Punkt vollständig von der positiven Performance des Basiswertes. Abbildung 1 zeigt das Payoff-Diagramm eines Exchangeable-Zertifikates. Diese Derivate sind, analog zu gewöhnlichen Kapitalschutzprodukten, für risikoaverse Anleger von Interesse, welche sich keinen Vermögensverlust leisten wollen, aber bereit sind, für eine Partizipation am positiven Fall Einnahmen von Zinsen und Dividenden für eine gewisse Zeit ganz oder teilweise aufzugeben. So besteht für Anleger die Möglichkeit, eine vordefinierte Anzahl an z.B. Aktien zu erhalten, wenn der Basiswertkurs am Laufzeitende (sog. Schlussfixierung) über dem «Wandelpreis» liegt. Entsprechend sind Exchangeables für bullische Anleger geeignet, die aber dennoch auf Sicherheit nicht verzichten möchten. Die Laufzeiten der Produkte sind normalerweise relativ lang, meistens mehrere Jahre. Bei dieser Länge sollte auch unbedingt die Bonität des Emittenten beachtet werden, denn der Kapitalschutz besteht nur so lange, wie der Emittent zahlungsfähig ist. Ausgenommen hiervon wären Exchangeable-Zertifikate mit Pfandsicherung (sog. COSI-Produkte). Derzeit sind am Markt allerdings noch keine Exchangeables mit COSI-Merkmal präsent. Dennoch ist das sicher eine interessante Variante für zukünftige Emissionen.

Technischer Aufbau

Technisch bestehen Exchangeable-Zertifikate aus einer Obligation des Emittenten und einer Call-Option auf den entsprechenden Basiswert. Das Produkt wird normalerweise so konstruiert, dass sein Preis bei Emission dem Nominalwert der Obligation entspricht. Dadurch wird der Kapitalschutz sichergestellt. Das Produkt wirft keinen oder nur einen kleinen Zins ab. Der Rest des Zinsertrages sowie der zu erwartende Kursverlust des Basiswertes wegen zukünftigen Dividendenauszahlungen werden zum Kauf der Optionskomponente verwendet. Dabei wird der Ausübungspreis der Option, «Wandelpreis» genannt, an jenem Punkt angesetzt, bei dem eine Call-Option mit einer vollständigen Partizipation am Basiswert erhältlich ist. Der Abstand vom Wandelpreis zum Kurs des Basiswertes am Emissionstag wird «Wandelprämie» genannt, siehe Abbildung 1. Je höher diese ist, desto stärker muss der Kurs des Basiswertes steigen, bis der Anleger von einem Kursanstieg zu profitieren beginnt. Die Höhe der Wandelprämie hängt im Wesentlichen von der Volatilität des Basiswertes, dem Marktzins, den Zinszahlungen, der voraussichtlichen Dividende und der Laufzeit des Produktes ab.

Kursverhalten in der Praxis

Abbildung 2 zeigt als konkretes Beispiel die Performance des Exchangeable-Zertifikates EBNEA auf die Nestlé-Aktie. Nach Emission legte Nestlé um gut 10% zu, der Kurs des Derivates stieg um rund 5%. Während dem anschliessenden Fall der Aktie auf 75% ihres Wertes bei Emission wurde der Schutzmechanismus deutlich: Das Zertifikat verbilligte sich zwar auch, fiel aber nie unter den Wert von 90%. Hätte die Nestlé-Aktie bis zum Laufzeitende auf diesem Niveau verharrt, wäre das Zertifikat kontinuierlich leicht gestiegen, bis es wieder 100% erreicht hätte. Im vorliegenden Fall hat sich die Nestlé-Aktie aber wieder deutlich erholt, was auch den Kurs des Zertifikates wieder (schneller) in einen positiven Bereich bewegt hat. Die Wandelprämie bewegt sich invers zum Aktien- und Exchangeable-Kurs: Je stärker die Kurse fallen, desto weiter bewegt sich der Aktienkurs weg vom Wandelpreis und desto grösser wird die Wandelprämie.

Exchangeables vs. Wandelobligationen…

Exchangeable-Zertifikate unterscheiden sich von Wandelobligationen dadurch, dass der Emittent des Derivates nicht gleich dem Emittenten der Aktie ist. Dies birgt ein leicht erhöhtes Risiko für den Käufer des Exchangeables. Dafür ist deren Liquidität normalerweise grösser, weil diese durch einen Market Maker aufrechterhalten wird. Zudem kann der Zins von Exchangeable-Zertifikaten vom Emittenten selbst bestimmt werden. Bei Wandelobligationen ergibt er sich aus dem Zins einer Referenzobligation und den weiteren Parametern der Wandelobligation. Eine der wesentlichsten Eigenschaften, welche Exchangeable-Zertifikate von Wandelobligationen unterscheidet, ist das deutlich breitere Universum an möglichen Basiswerten: Während für Wandelobligationen naturgemäss nur Aktien zur Verfügung stehen, sind Exchangeable-Zertifikate auf nahezu alle Basiswerte möglich, von Aktien über Indizes bis hin zu Commodities. Einige Basiswerte können nicht physisch geliefert werden (z.B. Indizes). In diesem Fall wird eine Barabgeltung vorgenommen.

… und vs. Kapitalschutzprodukte

Der Unterschied von Exchangeable-Zertifikaten zu gewöhnlichen Kapitalschutzprodukten besteht in der Höhe des Ausübungspreises der Optionskomponente: Bei Kapitalschutzprodukten wird dieser oft dem Kurs des Basiswertes bei der Emission des Produktes gleichgesetzt. Dies bedeutet, dass der Inhaber eines Kapitalschutzproduktes sofort von Kursgewinnen des Basiswertes profitiert, meistens allerdings zu weniger als 100%. D.h. wenn der Aktienkurs 1% zulegt, gewinnt der Halter des Kapitalschutzproduktes oft weniger als 1%. Käufer von Exchangeable-Zertifikaten müssen länger warten, bis sie von einem Kursanstieg der Aktie profitieren, dann bildet das Produkt jeden weiteren Kursanstieg 1:1 ab. Exchangeable-Zertifikate können entsprechend als leicht aggressivere Variante von Kapitalschutzprodukten angesehen werden.

Kleine Auswahl

Momentan sind 41 Exchangeable-Zertifikate an der Scoach Schweiz handelbar. Interessant sind allerdings nur jene mit noch eher langer Laufzeit und Kursen um die 100%. Deutlich tiefere Kurse bedeuten, dass die Wahrscheinlichkeit einer Umwandlung gegen null tendiert und das Produkt fast ausschliesslich Obligationencharakter besitzt, während deutlich höhere Kurse ein Risiko ähnlich wie eine Aktie bergen. Wer ein Produkt für z.B. 120% kauft, kann dementsprechend bis zu 20% von seinem Einsatz verlieren, den Coupon bei diesem Beispiel zunächst aussen vor gelassen). Wegen der Optionskomponente ist ein Kauf von Exchangeable-Zertifikaten vor allem in Zeiten mit relativ tiefer Volatilität zu empfehlen. Aktuell ist die Volatilität beim SMI zwar von (teuren) Extremwerten weit entfernt, aber mit Blick auf die nächsten Monate (sog. Term Structure) ist die Volatilität und damit letztlich eine Absicherung nicht ganz billig. Für Anleger, die jetzt auf ein Kapitalschutz setzen möchten, ist u.a. EXNOV (Basiswert: Novartis, Wandelpreis CHF 52.96) und EXNET (Basiswert Nestlé) interessant. Beim erstgenannten Produkt sorgt die intakte Aufwärtsbewebung der Novartis für Phantasie, der Wandelpreis ist aktuell knapp überschritten. Beim zweiten Produkt, bezogen auf die Nestlé Aktie, rückt der Wandelpreis von CHF 65.55 langsam aber sicher wieder in die Nähe.

Optimal für längere Anlagedauer

Ingesamt sind Exchangeable-Zertifikate optimale Langfristinstrumente für Basiswerte, denen ein erhöhtes Absturzrisiko zugerechnet wird, die aber auch ein grosses Aufwärtspotenzial haben. Wird vom Kurs des Basiswertes langfristig eine Seitwärtstendenz erwartet, sind Exchangeable-Zertifikate ungeeignet, weil erst nach dem Erreichen der Wandelprämie von einer positiven Performance der zugrunde liegenden Aktie profitiert wird.

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