Frisch aufgepumpt?
Drei Monate lang kannte der Ölpreis nur eine Richtung: nach unten. Jetzt bilden sich stabilisierende Kräfte und Ölderivate werden hochinteressant.
Seit Wochen erzielen einige Rohstoffhändler mit «Put-Surfen» satte Zusatzgewinne. Seit Anfang Juli befinden sich der Spot-Ölpreis und auch die zeitnahen Futures-Preise im freien Fall. Der fallende Kurs führt zu hohen Volatilitätsprämien. Mit dem parallelen Schreiben von Puts auf immer tieferen Niveaus wird das Surfen sehr profitabel.
Die OPEC, das immer noch intakte Erdölkartell, beginnt unruhig zu werden. Aus Insiderkreisen ist zu hören, dass «der OPEC Basket Price vielen Mitgliedern zu schnell und zu tief gefallen ist». In dieser Mix-Quotierung werden die Ölpreise der OPEC-12-Staaten gebündelt. Insbesondere die Golfstaaten blicken mit gemischten Gefühlen auf das kommende Jahr: Geopolitischer Flächenbrand vor der Haustür, teilweise wachsende Budgetprobleme und nun auch noch sinkende Ölpreiseinnahmen. Ein Sonderfall ist Katar, das inzwischen nicht mehr OPEC-Mitglied ist, weil es sich gerne sehr flexibel als globaler Gasexporteur positioniert. Dort sprudeln die Budgets.
Obwohl der Nahe Osten insgesamt eine Diversifizierung seiner Wirtschaft anstrebt, sind insbesondere die OPEC-Staaten weiterhin stark von den Öleinnahmen abhängig. Für die meisten Länder am Persischen Golf liegt der Break-even-Preis – je nach Berechnungsmethode – zwischen USD 65 und USD 95 pro Barrel, abhängig von der effektiven Ölproduktion und den Staatsausgaben. Insbesondere Saudi-Arabien und Oman benötigen relativ hohe Ölpreise, um ihre Haushaltsziele zu erreichen. Allein die 1’000 Prinzen der Haschemiten kosten nach Schätzungen jährlich rund USD 10 Milliarden Apanage. Ganz zu schweigen von den 34 Millionen Einwohnern.
Gut, dass Saudi Aramco im Frühjahr dieses Jahres rund USD 98 Milliarden an seine Aktionäre ausgeschüttet hat. Der Löwenanteil ging direkt an das Königreich Saudi-Arabien, das 82% der Aktien hält. Weitere 16% sind im Besitz des saudischen Pensionsfonds. Megaprojekte wie die Zukunftsstadt Neom mitten in der Wüste leiden bereits unter dem Ölpreisverfall. Das einstige 500-Milliarden-Dollar-Projekt wird drastisch gekürzt. Andere Stimmen sagen, es werde schlicht «der Realität angepasst». Die OPEC unter Führung Saudi-Arabiens dürfte daher ihr vitales Interesse an einem Ölpreis von über USD 60 in nächster Zeit verstärkt innerhalb des Kartells artikulieren.
Ölderivate bieten derzeit eine vielversprechende Möglichkeit, von steigenden Rohölpreisen zu profitieren. Ironischerweise hat sich die geopolitische Explosion im Nahen Osten bisher nicht auf die Ölpreise ausgewirkt, und auch der Hurrikan Helene hat die US-Ölsorte WTI eher unbeeindruckt gelassen. Mit globalem Blick auf die Ölnotierungen und Futures 2025 in WTI und Brent sowie die arabischen Ölnotierungen ist eine leichte Nachfragedelle bereits eingepreist. Alternative Antriebe sind Fakt und auch Erneuerbare Energien als Energiesubstitut sind international nicht wegzudiskutieren. Dennoch: Fossile Energieträger bleiben Teil der Realität. Sowohl Long-Positionen als auch Short-Puts mit Kurszielen um USD 45 (WTI) könnten sich daher lohnen. Natürlich bleibt der Ölmarkt volatil, aber für erfahrene Anleger, die ihr Risikomanagement im Griff haben, eröffnen sich hier interessante Chancen. Die kommende Zeit könnte für Rohstoffinvestoren ein goldenes Zeitalter einläuten.
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Foto von Zbynek Burival auf Unsplash