

Hebelprodukte: Chancen nutzen, Risiken steuern
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Serge Nussbaumer
Chefredaktor
Hebelprodukte sind in der aktuellen Börsenphase sehr gefragt. Dabei hat sich in den vergangenen Wochen nicht nur das Handelsvolumen und die Zahl der Produkte erhöht, auch die Emittenten bekamen Zuwachs. Wir werfen einen genauen Blick auf die Entwicklungen.
In den ersten Monaten des Börsenjahres 2025 ging es hoch her – kein Auge blieb trocken. Vor allem seit Donald Trump wieder das Ruder im Weissen Haus übernommen hat, scheint die Marktstimmung von einer ständigen Achterbahnfahrt geprägt zu sein. Kein Präsident vor ihm hat in den ersten 100 Tagen so viele Dekrete erlassen, die teilweise für erhebliche Verunsicherung gesorgt haben. Hinzu kommt ein regelrechter Tsunami an Zöllen, den er über die Weltwirtschaft hereinbrechen liess. Die Folge: Der S&P 500 hat seitdem rund 8% verloren – der schlechteste Börsenstart einer US-Präsidentschaft seit Richard Nixons zweiter Amtszeit im Jahr 1973.
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Das wilde Auf und Ab an den Finanzmärkten könnte noch eine Weile anhalten, denn weder ist das Zollchaos beseitigt, noch geben die aktuellen Wirtschaftsdaten Anlass zur Euphorie. Ein solch volatiles Umfeld zieht vor allem Trader an, was sich deutlich in den Handelszahlen widerspiegelt. Im 1. Quartal 2025 wurden an SIX Hebelprodukte mit einem Volumen von rund CHF 1 Milliarde gehandelt, was einer Steigerung von fast 50% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Emittenten waren ebenfalls sehr aktiv. Nicht nur die Vielfalt der Basiswerte hat zugenommen, sondern auch der Kreis der Anbieter. Mit Leonteq ist jüngst ein neuer Anbieter in den Markt für Hebelprodukte eingestiegen. Die Devise lautet: Klotzen, nicht kleckern. Knapp 3’200 Hebelprodukte hat das FinTech-Unternehmen aktuell an SIX kotiert und damit gefragte Basiswerte wie Renk, Rheinmetall oder Hensoldt erstmals in der Schweiz gehebelt investierbar gemacht. «Wir streben ein breit gefächertes Universum an Basiswerten an – von etablierten Aktien und Indizes bis hin zu Nischen, die bisher kaum abgedeckt, aber stark nachgefragt sind», sagt Derivatespezialist Manuel Dürr von Leonteq im Interview (payoff magazine April 2025) mit Serge Nussbaumer von payoff.
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Positiv entwickelt sich auch das gesamte Produktangebot an SIX Swiss Exchange. Die Zahl der Neukotierungen lag im März mit 14’472 über dem Durchschnitt der letzten 12 Monate. Der Anteil der Hebelprodukte am Markt für Strukturierte Produkte beträgt damit 78.4%. Auch der Handelsumsatz konnte um knapp ein Zehntel auf CHF 333.51 Millionen gesteigert werden. Dabei verteidigte die Bank Vontobel mit einem relativen Anteil von gut 54% erneut ihre Spitzenposition. Es folgen die UBS (20.3%), die ZKB (13.1%) und Bank Julius Bär (10.5%). Insgesamt kommt das Spitzenquartett auf einen Umsatzanteil von rund 98%. Leonteq will das Feld von hinten aufrollen. «2025 steht ganz im Zeichen des Ausbaus: Wir planen, unser Angebot deutlich zu erweitern – mit zusätzlichen Basiswerten, neuen Asset-Klassen und weiteren Produkttypen», zeigt sich Spezialist für Strukturierte Produkte Dürr expansionsfreudig.
Bei den Produkten sind derzeit die Warrants die beliebteste Hebel-Variante. Zu Beginn des Jahres eroberten die Optionsscheine die Spitze der Rangliste und konnten diese mit einem aktuellen Marktanteil von knapp 44% verteidigen. Die Mini-Futures stellen zwar «nur» ein Viertel des Handelsvolumens, verzeichneten aber im März mit einem Plus von 65% das grösste Wachstum. Auf die Knock-out Warrants entfällt derweil ein Anteil von einem Fünftel und Constant-Leverage-Zertifikate belegen das restliche Zehntel.
Worin liegt aber die Faszination von Hebelprodukten?
Hebelprodukte ermöglichen es, mit geringem Kapitaleinsatz überproportional an Kursbewegungen – etwa einer Aktie, eines Index oder eines Rohstoffs – zu partizipieren. Sie kommen häufig dann zum Einsatz, wenn mit wenig Kapital kurzfristig spekuliert oder ein Portfolio abgesichert werden soll. Doch was auf den ersten Blick wie ein Turbo für das Depot aussieht, kann ohne fundierte Kenntnisse schnell zum Risiko werden. Zentrales Merkmal ist der Hebel. Dieser verstärkt sowohl Gewinne als auch Verluste. Vereinfacht gesagt beschreibt er das Verhältnis, in dem sich der Preis des Hebelprodukts im Vergleich zum Basiswert verändert. Ein Beispiel: Wenn eine Aktie um 2% steigt und das Hebelprodukt einen Hebelfaktor von 5 hat, ergibt sich – vereinfacht gerechnet – ein Gewinn von 10%. Der Effekt funktioniert jedoch in beide Richtungen: Fällt die Aktie um 2%, verliert auch das Produkt 10%. Der Einsatz kann also stark schwanken oder im schlimmsten Fall komplett verloren gehen.
Auf den Zahn gefühlt
Wer sich des Risikos bewusst ist und eine klare Markterwartung hat, kann aus kurzfristigen Trends oder Schwankungen hohe Renditen erzielen, ohne grosse Summen einsetzen zu müssen. Schnelle Bewegungen, etwa bei der Veröffentlichung von Quartalszahlen oder makroökonomischen Daten, können ausgenutztwerden. Aber es gibt auch jede Menge Fallstricke. Neben dem Risiko eines Knock-Outs, wie beispielsweise bei Mini-Futures, der zum Totalverlust führt, können sich auch die Konditionen beim Kauf von Emittent zu Emittent unterscheiden. Wir haben daher die Finanzierungskosten der Produkte sowie die Angaben zur Marktqualität (PMMI) unter die Lupe genommen. Der PMMI gibt mit seinen drei Berechnungsgrössen – Verfügbarkeit von Quotes, Volumen und Spread – einen groben Überblick über die Market Making Qualität. Dabei gilt: Werte über 80 Punkten sind ausreichend, Wer-
te unter 80 Punkten sind nicht ausreichend. Unsere aktuelle Analyse zeigt, dass die Emittenten im Sinne der Anleger insgesamt einen guten Job machen. Ganz oben stand viele Monate die Bank Julius Bär. Bei knapp 10’000 kotierten Produkten weist die Bank mit einem Wert von 98.16 ein hervorragendes Market Making auf. Spannend: Newcomer Leonteq hat mit 98.22 Punkten nur hauchdünn die Spitze übernommen.

Bei Hebelprodukten wie etwa Mini-Futures spielen neben dem Hebel auch die Finanzierungskosten eine zentrale Rolle, da mit steigendem Finanzierungslevel der Wert des Produktes kontinuierlich sinkt. Zu diesen Kosten zählen nicht nur die Gebühren des Emittenten, sondern auch die Aufwendungen für die Kreditfinanzierung. Aufgrund der Open-End-Struktur erfolgt eine tägliche Anpassung des Finanzierungslevels – die anteiligen Finanzierungskosten werden laufend eingepreist. Damit sich der Finanzierungslevel nicht schrittweise der Stop-Loss-Marke nähert, sondern auf konstantem Abstand bleibt, wird auch die Barriere täglich um den gleichen Betrag angepasst.
Im Rahmen einer umfassenden Analyse von rund 10’000 Produkten wurde je ein Basiswert für die Schweiz, Deutschland und die USA ausgewählt. Die Auswahl erfolgte zufällig unter der Voraussetzung, dass alle sechs Emittenten von Hebelprodukten, die an SIX kotieren, vertreten sind. Die Wahl fiel dabei auf Novartis, den DAX und Nvidia. Die drei obenstehenden Tabellen zeigen den durchschnittlichen Finanzierungskostensatz aller am 14. und 15. April 2025 an der SIX gehandelten Long Mini-Futures und Long Knock-out Warrants auf diese Basiswerte. Die Darstellung erfolgt pro Emittent und ist jeweils nach sinkenden Finanzierungskosten sortiert. Angegeben sind die Werte in Prozent pro Jahr.
