Zurück
payoff Interviews

«In einigen Fällen ist es schwierig, überhaupt einen Käufer zu finden.»

23.05.2017 6 Min.
  • Brigitte Luginbühl, Senior Associate

Brigitte Luginbühl, Senior Associate bei Jones Lang LaSalle und wipswiss-Mitglied, über Trends in den heimischen Immobiliensegmenten, Stillstand in London, lukrative Aussichten für Mailand und Brüssel sowie das Ende zinsbedingter Renditekompressionen für US-Immobilienanleger.

Frau Luginbühl, die Arbeitswelt verändert sich und damit auch die Flächennutzung. Wird in Schweizer Ballungsräumen in den nächsten zwölf bis 24 Monaten tendenziell
mehr oder eher weniger Bürofläche gefragt sein?

Insgesamt wächst die Büronachfrage, trotz der Trends Homeoffice und Coworking, immer noch. Mit dem Wirtschaftswachstum steigt auch die Beschäftigung im Dienstleistungsbereich und damit der Flächenbedarf. Allerdings fokussiert sich die Zusatznachfrage vor allem auf kleinere Flächeneinheiten. Die Absorption grösserer Flächen erfolgt derzeit fast ausschliesslich aus Umzügen und Konsolidierungen bestehender Unternehmen. Das heisst, wir beobachten eine Seitwärtsverschiebung im Markt.

… was sind heute für Büromieter die wichtigsten Kriterien?

Wir von JLL haben im letzten Jahr eine breit angelegte Umfrage unter Schweizer Büronutzern zu deren Mietsituation und Präferenzen durchgeführt. Bei der Standortfrage spielt die Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Verkehr die mit Abstand wichtigste Rolle, gefolgt von der Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter. Flächeneffizienz und Flächenflexibilität sind wichtige objektspezifische Kriterien. Bei Mietverhandlungen ist zudem – neben dem Mietniveau – der Ausbaustandard ein grosses Thema. Mieter zeigen eine klare Präferenz für ausgebaute Büroflächen und können dies im aktuellen Marktumfeld auch zunehmend durchsetzen.

Mit Blick auf die Transaktionsseite: Werden in der Schweiz gegenwärtig noch Gewerbe- bzw. Büroimmobilien gekauft – oder warten die Profis eher auf eine fortgesetzte Marktabkühlung?

Die schwierigere Mietmarktsituation ist auch auf dem Transaktionsmarkt zu spüren. Es kann von einer Art Zweiteilung des Marktes gesprochen werden. Auf der einen Seite hat die Investitionsnachfrage für Top-Objekte an guten Lagen weiter zugenommen. Dies führte zum Teil zu Bieterwettbewerben mit einer sehr hohen Anzahl von Angeboten und einer starken Renditekompression. Die Bürospitzenrendite in Zürich ist z.B. im Jahr 2016 von 3.0% auf 2.7% gefallen. Auf der anderen Seite fällt das Interesse für kommerzielle Liegenschaften mit risikoreicherer Vermietungssituation und/oder an unattraktiver Lage deutlich tiefer aus. In einigen Fällen ist es derzeit sogar schwierig, überhaupt einen Käufer zu finden.


«Gute Immobilien sind inzwischen in fast allen Märkten teuer geworden.»

Der Brexit hat in London kurzfristig für eine kalte Dusche gesorgt. Welche Signale empfängt JLL aus Europas ehemaliger Boom-Town?

Die Auswirkungen der Brexit-Entscheidung auf die Londoner Büromarktindikatoren wie Leerstände waren bislang noch moderat. Es herrscht derzeit eine weitverbreitete «wait-and-see»-Attitüde bei den ansässigen Unternehmen. Bevor mehr Klarheit zu den Ergebnissen der Brexit-Verhandlungen besteht, wollen nur wenige Unternehmen grosse Relocations in kontinentaleuropäische Städte oder Dublin in Angriff nehmen. Auf der anderen Seite werden die Aktivitäten auch nicht ausgebaut, was zu einer Art Stillstand im Londoner Flächenmarkt geführt hat. Auch auf dem Transaktionsmarkt ist die Liquidität deutlich zurückgegangen, und die Preise kommerzieller Immobilien sind entsprechend leicht unter Druck geraten.

In welchen Regionen/Städten erwartet JLL mögliche Preissteigerungen bei  Immobilienwerten in Europa?

Gute Immobilien sind inzwischen in fast allen Märkten teuer geworden. Nichtsdestotrotz gibt es Unterschiede im Zyklus. Wir sehen z.B. in den meisten deutschen
Städten weiteres leichtes Potenzial für Preissteigerungen. Der Immobilienmarkt in Deutschland ist im Zyklus grob gesagt etwa zwei, drei Jahre nachgelagert zur Schweiz. Erstklassige Büroimmobilien in Mailand und Brüssel sind zwei weitere favorisierte Märkte unserer paneuropäischen Experten hinsichtlich der erwarteten Preisentwicklung in diesem Jahr.

Ihre Firmenzentrale befindet sich in Chicago. Wie werden sich die Büromieten in den US-Metropolen entwickeln und von welchen Regionen sollte man besser die Finger lassen?

Die Büromieten steigen aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Erholung in den meisten US-Städten noch moderat an. Eine prominente Ausnahme ist Houston, wo die Büroleerstandsquote aufgrund der Verlangsamung in der Energiebranche gekoppelt mit einer hohen Bautätigkeit auf über 20% angestiegen ist. Mittelfristig dürften wohl auch die Spitzenmieten in Märkten wie San Francisco wieder etwas sinken, sobald sich dort die aktuelle extreme Knappheit an verfügbaren Flächen aufgelöst hat. Potenzial für Büromietsteigerungen sieht JLL derzeit u.a. in ausgewählten grösseren Städten an der Ostküste, z.B. Washington oder Boston, und im mittleren Westen, beispielsweise in Detroit.

… und welche Einschätzung haben Sie für die Preise bei amerikanischen Gewerbeimmobilien – Überhitzungsgefahr durch das immer noch billige Geld am Kapitalmarkt?

Im Gegensatz zu Europa hat sich das geldpolitische Umfeld in den USA gedreht. Die Federal Reserve hat angefangen, die Zinsen zu erhöhen. Das heisst, die Zeiten von Rückenwind durch zinsbedingte Renditekompressionen sind für US-Immobilienanleger wohl vorerst vorbei. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass für die  Gesamtrendite die Mietertragsseite wieder an Bedeutung gewinnen wird. Immobilienanleger müssen daher zukünftig bei Investitionen noch mehr auf objektspezifische Kriterien und die Aussichten am jeweiligen Flächenmarkt achten.

«PSP Swiss Property hat eine siebenjährige Anleihe über CHF 125 Mio. zu 0% aufnehmen können.


Stichwort gewerbliche Immobilienfinanzierung: Welche Trends nehmen Sie wahr?

Sehr hohe Fremdfinanzierungsquoten gibt es in der Schweiz seit der Finanzkrise kaum mehr, mit dem Resultat, dass die High-Leverage-Buyers mehr oder weniger vom Markt verschwunden sind. Auf der anderen Seite profitieren traditionelle Immobilien-Anlegergruppen mit «normalen» Leverage-Ratios, wie z.B. kotierte Immobiliengesellschaften, aktuell von rekordverdächtigen Refinanzierungskonditionen. So hat z.B. die PSP Swiss Property im letzten Jahr eine siebenjährige Anleihe über CHF 125 Mio. zu 0% aufnehmen können.

Vielen Dank für das Interview!

 

VITA

Brigitte Luginbühl ist Senior Associate bei Jones Lang LaSalle AG (JLL) in Zürich. Die Immobilienexpertin und mehrsprachige Ökonomin (D/E/F/S) ist seit Anfang 2011 im Unternehmen und begann als Analystin im Bewertungsund Transaktionsbereich. Es folgte eine Tätigkeit für JLL City Capital Markets in London. Erste Erfahrungen im Immobilienbereich sammelte Brigitte Luginbühl seit Sommer 2007 bei der Credit Suisse und Sal. Oppenheim Corporate Finance AG, jeweils am Standort Zürich. Das akademische Profil umfasst einen Master of Arts in Economics & Business Administration mit Auszeichnung sowie den Bachelor of Arts in Economics & Business, ebenfalls mit Auszeichnung. Beides wurde an der Universität Zürich abgelegt. Brigitte Luginbühl ist CFA Candidate Level II. Darüber hinaus ist sie Mitglied der Branchenorganisatoin «Women in Property» (wipswiss).

Weitere News aus der Rubrik

Unsere Rubriken