Künstliche Diamanten: Bling-Bling aus dem Labor
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Serge Nussbaumer
Chefredaktor
Zeitenwende in der Luxusbranche: Echte Diamanten drohen zum Auslaufmodell zu werden, die grünen Alternativen erfreuen sich dagegen zunehmender Beliebtheit. Wir werfen einen Blick auf die Branche und zeigen, welche Unternehmen auf die künstlichen Steine setzen.
«Diamonds are a Girl’s Best Friend» ist wohl der bekannteste Song der Pop-Ikone Marilyn Monroe und wurde gleichzeitig zum Symbol für das Leben des weltberühmten Hollywood-Stars. Glanz und Glamour stehen auch im 21. Jahrhundert noch hoch im Kurs, wobei für die Konsumenten nicht mehr nur der äussere Schein zählt. Vielmehr richtet sich das Augenmerk zunehmend auf «sustainable luxury», also Luxusgüter mit nachhaltigen Werten, wie zum Beispiel faire Arbeitsbedingungen oder recycelte bzw. umweltschonende Materialien. Diese Anforderungen machen auch vor dem «König der Edelsteine» nicht halt. Denn Diamanten werden oft mit Menschenrechtsverletzungen und giftigen Chemikalien beim Abbau in Verbindung gebracht.
Ausgefeilte Technologien
Seit einiger Zeit gibt es aber auch ethisch vertretbare Juwelen, die sich immer grösserer Beliebtheit erfreuen. Die Rede ist von künstlich hergestellten, sogenannten synthetischen Diamanten. Diese sehen aus wie echte Diamanten und können sogar in verschiedenen Qualitäten hergestellt werden. Zur Herstellung der künstlichen Edelsteine sind unter anderem extrem hoher Druck und hohe Temperaturen notwendig, um den Kohlenstoff zu pressen. Neben diesem «High Pressure High Temperature (HPAT)»-Verfahren kommt auch das «Chemical Vapor Deposition (CVD)»-Verfahren zum Einsatz, bei dem kleine Diamantsplitter unter Vakuum und Gasen heranwachsen.
Abgesehen von der Technik erfordert die Erzeugung also auch einen hohen Energieaufwand. Dennoch liegen die Preise nur bei einem Bruchteil derer von echten Steinen aus dem Berg. Einkaräter mit einem Durchmesser von etwa sechs Millimetern in Schmuckqualität sind bereits für rund EUR 800 zu haben, während die natürlichen Pendants in mittlerer Qualität das rund Siebenfache kosten. Und die Technologien werden immer ausgefeilter. In einer Studie, die vor kurzem in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, zeigen Forscher des Institute for Basic Science in Südkorea auf, wie sich synthetische Diamanten mithilfe einer Mischung aus flüssigen Metallen in nur 150 Minuten züchten lassen.
Bis die neue Methode angewendet werden kann, wird noch einige Zeit vergehen. Laut Projektleiter Rodney Ruoff, Professor am Ulsan National Institute of Science & Technology, steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen. HPAT und CVD werden daher auf absehbare Zeit die Welt der synthetischen Diamanten beherrschen. Und die Ergebnisse sind vielversprechend. Die Experten sind sich einig, dass die Diamanten chemisch, physikalisch und damit auch optisch mit natürlichen Diamanten identisch sind. Nur mit speziellen Analysegeräten ist ein Unterschied zu erkennen. Das Schweizerische Gemmologische Institut (SSEF) hat zu diesem Zweck ein automatisches spektrales Diamant-Inspektionsgerät entwickelt, mit dem synthetische Diamanten, die sowohl nach dem HPHT- als auch nach dem CVD-Verfahren hergestellt wurden, von natürlichen Diamanten unterschieden werden können.
Nachfrage und Angebot nehmen zu
Diese nahezu unverwechselbare Optik ist ein wichtiger Grund dafür, dass Schmuckliebhaber immer häufiger zu dieser Alternative greifen. Edahn Golan, Analyst in der Diamantenindustrie, nennt drei Gründe, warum im Labor gezüchtete Steine vor allem für jüngere Verbraucher attraktiv sind: niedrigere Preise, grössere Steine und Nachhaltigkeit. So erreichte ihr Anteil bei Verlobungsringen im 1. Quartal 2024 mit 43% bereits einen beachtlichen Wert. Insgesamt wurden in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 in den USA 13.5% des verkauften Diamantschmucks aus im Labor gezüchteten Steinen hergestellt.
Um genau diese Käuferschicht anzusprechen, peppen immer mehr Juweliere ihr Sortiment mit künstlichen Angeboten auf. Die weltgrösste Juwelierkette Pandora hat damit bereits 2021 begonnen. Die Dänen setzten im vergangenen Jahr mit dem Verkauf von Labordiamanten DKK 265 Millionen um, was bereits fast 10% des Gesamtumsatzes entspricht. Auch der weltweit führende Luxuskonzern LVMH setzt auf grüne Luxusalternativen. So bietet seine Uhrenmarke TAG Heuer bereits solche Zeitmesser an. Um ganz vorne mit dabei zu sein, kauften die Franzosen 2022 den israelischen Labordiamantenspezialisten Lusix, den damals weltweit ersten Hersteller, dessen Diamanten mit Solarenergie hergestellt wurden.
Mit De Beers ist vor einigen Jahren sogar einer der grössten Diamantenhändler der Welt in das Geschäft mit den Repliken eingestiegen. Auf der jüngsten Schmuckmesse JCK in Las Vegas verkündete CEO Al Cook eine neue Strategie und will sich künftig nur noch auf die Herstellung von im Labor gezüchteten Diamanten für industrielle Zwecke konzentrieren. «Wir sehen die grössten langfristigen Chancen für synthetische Diamanten in einer Reihe spannender technologischer Anwendungen aufgrund ihrer extremen physikalischen Eigenschaften, die sie ideal für den Einsatz in hochwertigen Anwendungen wie der 6G-Technologie, Halbleitern und Quantencomputern machen», erklärte der CEO.
Generationenwechsel
Labordiamanten sind also aus verschiedenen Gründen ein Wachstumsmarkt. Das belegen auch die Zahlen: 2021 wird der Markt für künstliche Edelsteine ein Volumen von rund USD 20 Milliarden haben, bis 2030 rechnet das Marktforschungsunternehmen Markwide Research mit einem Anstieg auf knapp USD 52 Milliarden. Der Verkauf von klassischen Diamanten wird dagegen voraussichtlich um mehr als 10% pro Jahr zurückgehen. In den kommenden Jahren dürfte es also ein spannendes Rennen zwischen den beiden Diamantentypen um die Vorherrschaft geben. Das Zünglein an der Waage könnten die Millennials und die Generation Z sein. Laut der Unternehmensberatung Bain & Company werden die 20- bis 30-Jährigen bis 2030 rund 3% des Umsatzes der Luxusbranche ausmachen. Und für diese Generation sind soziale Aspekte und Nachhaltigkeit besonders wichtig. So könnte der beste Freund der Frau bald mehrheitlich aus dem Labor kommen – und strahlen wie einst Marilyn Monroe.