KÜNSTLICHE INTELLIGENZ: CHANCE FÜR ANLEGER UND QUANTENSPRUNG IM ASSET MANAGEMENT
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Martin Raab
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz für Anleger und die Asset-Management-Branche? Im Fokus der aktuellen Diskussion steht einerseits die Herausforderung, künstliche Intelligenz als Anlagethema beziehungsweise als Renditechancen zu nutzen. Andererseits erlaubt es KI auch, das Asset Management selbst weiterzuentwickeln.
Künstliche Intelligenz ist eine der wesentlichen Antriebskräfte der digitalen Revolution. Bei den heutigen Anwendungen geht es vor allem darum, das menschliche Denken und Handeln durch entsprechend programmierte Computer oder Roboter zu unterstützen und intelligentes Verhalten mit den Mitteln der Informatik zu simulieren. KI-Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie eigenständig lernen und mit Unsicherheit umgehen können. Einige Anwendungsfelder, wie zum Beispiel Virtual-Digital- Assistants, also SIRI, Alexa und Co., haben mit einem Umsatzvolumen von rund USD 3 Milliarden bereits ein respektables Marktvolumen erreicht. Im Jahr 2021 – so die Prognose – soll das Umsatzvolumen sogar auf USD 15 Milliarden dynamisch wachsen.
KI mit vielfältiger Anwendung
Mit der Diskussion um die künstliche Intelligenz stellt sich für Anleger naturgemäss die Frage, wie diese Entwicklung als Anlagethema genutzt werden kann. CPR Asset Management, welche zur Amundi-Gruppe gehört, hat bereits 2016 den Global Disruptive Opportunites Fonds aufgelegt, der diesen Zukunftstrend aufgreift. Für das Anlagethema Disruption ist die künstliche Intelligenz zweifelsohne ein wichtiger Faktor. Bei der Definition des Anlageuniversums in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Deloitte haben wir künstliche Intelligenz zunächst als Chance für erweiterte Fähigkeiten von Robotern im Rahmen der Industrie 4.0 identifiziert. Schnell hat sich aber gezeigt, dass KI weitaus mehr Anwendungsfelder hat. Wie die Umsatzanteile der verschiedensten Branchen zeigen, umfasst sie ein Milliarden-Dollar-Volumen in den unterschiedlichsten Sektoren und die Einsatzmöglichkeiten reichen weit über die digitale Wirtschaft hinaus. Zu den Auswirkungen zählen branchenübergreifend Produktivitätssteigerungen, Verschiebungen von Wettbewerbsbedingungen sowie die Entstehung neuer Unternehmen in diesem Bereich. Folglich erfassen wir heute all diese Facetten des Themas und nutzen so diese wachstumbringenden Anlagemöglichkeiten.
Paradedisziplin Automobilwirtschaft
Einige führende Technologieunternehmen arbeiten bereits seit Jahren daran, mithilfe von künstlicher Intelligenz zunächst die Automatisierung und die Skalierung von Aktivitäten voranzutreiben. Heute entwickeln sich die Anwendungsfelder immer mehr in Richtung Kunde und werden als ein Instrument genutzt, um mit virtuellen digitalen Assistenten wie Siri und Alexa neue Verbraucherkreise zu erreichen. So sind Google, Amazon, Facebook, Apple und Co. heute in der Lage, ihren Handlungsrahmen durch künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen stetig auszuweiten. Ein weiteres Beispiel ist IBM, dessen Turnaround in den letzten zwei Jahren auf den Erfolg der KI-Abteilung zurückzuführen ist. Die KI-Experten haben mit Watson ein Computerprogramm entwickelt, mit dem zum Beispiel in der medizinischen Diagnostik komplexe Entscheidungen unter Zeitdruck unterstützt werden können. Auch in der Automobilbranche gewinnt der Einsatz künstlicher Intelligenz rasant an Bedeutung. So sollte bald das Level 4 (von insgesamt 5) des autonomen Fahrens erreicht werden, bei dem das System das Fahrzeug dauerhaft führt. Der Fahrer wird bei dieser Form der Hochautomatisierung nur noch dann aufgefordert selbst tätig zu werden, wenn das System die Fahraufgaben nicht mehr bewältigen kann.
«Neben Big Data sorgen KI-Ansätze bei der Portfoliokonstruktion für neue Wege auf der Suche nach Überrendite.»
Auch Finanzbranche relevant für KI
Eine wichtige Rolle spielt das Thema künstliche Intelligenz aber auch für die Finanzbranche selbst. Obwohl die Diskussion darum derzeit an Dynamik gewonnen hat, ist das Thema alles andere als neu. So hat sich der Übergang vom Index- Tracking, dessen Anfänge in den USA auf die 60er Jahre zurückgehen zum, heute praktizierten, aktiven, quantitativen Management in mehreren Schritten vollzogen. Die Entwicklung führte nicht nur dazu, dass das Volumen der analysierten Finanzdaten erheblich gestiegen ist. Die komplexeren Modellierungsprogramme erlauben heute auch eine deutlich bessere Überwachung von Investitionsentscheidungen. So nutzen komplexe mathematische Modelle im algorithmischen Handel heute umfangreiche historische Daten, um die Rendite zu maximieren. Die kontinuierliche Weiterentwicklung von Big Data wird aus unserer Sicht unweigerlich dazu führen, dass sich die Rahmenbedingungen für Asset Manager weiter verändern. Interessant ist zudem die Art und Weise, wie Alpha heute erzeugt wird. Neben Big Data werden mit KI-Ansätzen bei der Portfoliokonstruktion sowie durch den Einsatz optimierender Risikomodelle neue Wege eingeschlagen. Darüber hinaus kombinieren einige Manager die neuen Asset-Management-Ansätze mit traditionellen und integrieren beispielsweise ihre volkswirtschaftlichen Szenarien oder Fundamentalanalysen zu Unternehmen.
Künstliche Intelligenz kann also eine strategische Rolle in einem Investitionsprozess spielen. So hat das Management des Global Disruptive Opportunities Fonds zunächst das Analgeuniversum auzuarbeiten, aktuelle disruptive Trends zu identifizieren und anschliessend die aussichtsreichsten Anlageideen aus den identifizierten Sektoren und Unterkategorien auszuwählen. Dazu setzen wir zwei quantitative Filter ein. Der erste verfolgt das Ziel, die Rendite, bezogen auf die Kapitalkosten, zu verbessern. Der zweite beinhaltet eine Alpha-Optimierung, mit der die Titel selektiert werden, die ein hohes Wertsteigerungspotenzial haben. Die zunehmende Digitalisierung und Big Data ersetzen jedoch nicht den letzten Schritt im Anlageprozess. Das heisst, wir führen eine eingehende Fundamentalanalyse durch, um die 80 Disruptions- Aktien auszuwählen, aus denen das Portfolio besteht. Dabei stellen wir vor allem sicher, dass diese Aktien bei einer vergleichbaren Volatilität und unabhängig vom Marktzyklus ein höheres Wachstumspotenzial versprechen als der globale Aktienmarkt. Im letzten Schritt platzieren wir die Kauf- und Verkaufstransaktionen. Der Hochfrequenzhandel, bei dem Tausende von Trades pro Sekunde durchgeführt werden, oder die Suche nach dem bestmöglichen Geld- oder Briefkurs für eine Aktie bei einem bestimmten Volumen sind Bereiche, die für den Einsatz von künstlicher Intelligenz prädestiniert sind.
Ersetzen oder ergänzen?
Eine Frage, die in der Branche diskutiert wird, ist, ob künstliche Intelligenz den Menschen vollständig ersetzen kann. Aus technologischer Sicht lautet die Antwort: ja. Immer «intelligenteren» Programmen ist es in der Zwischenzeit gelungen, die besten Spieler beim Schach, Go und jetzt auch beim Poker zu besiegen. Allerdings gibt es einige Grenzen. So benötigt jedes, bei der Programmierung von Robotern genutzte, Teach-in-System qualitativ hochwertige historische Daten, die bis auf weiteres von Menschen zu bereinigen sind. Auch Asset Manager bieten ihren Kunden nicht nur eine Rendite, sondern umfangreiche Dienstleistungen an. Ein wichtiger Baustein ist die Transparenz zu den Anlageentscheidungen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass jedes Modell intelligent genug ist, um sich stetig durch die Integration neuer Daten zu verbessern, gibt es speziell bei unerwarteten Ereignissen Grenzen. So ist fraglich, welcher Kunde eine länger andauernde Underperformance akzeptieren würde, wenn ein unerwartetes und einschneidendes Ereignis wie der Brexit oder die Wahl von Donald Trump eintritt. Künstliche Intelligenz hat den Anlageprozess bereits heute deutlich verändert. Dies gilt insbesondere für Manager fundamentaler und quantitativer Strategien sowie Hedge-fonds. In einigen Fällen haben zudem quantitative Analysten Finanzanalysten abgelöst. Künstliche Intelligenz kann allerdings nicht mit der «Weisheit» von Menschen gleichgesetzt werden. Allerdings kann man mit ihr den limitierten kognitiven Fähigkeiten der Masse begegnen.
*Dieser Artikel ist mit tatkräftiger Mitarbeit und fachlichen Inputs von Cyrille Collet (Head of Quantitative Equity Management, CPR Asset Management), Wesley Lebeau (Portfolio Manager des Global Disruptive Opportunities Fund, CPR Asset Management) und Isabelle Erimo (Head of Investment Specialists, CPR Asset Management) entstanden. Weitere Informationen finden Sie auf www.cpr-am.ch