Licht und Schatten beim Index-Platzhirsch
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Dieter Haas
Passive Anlageprodukte bedienen sich für ihre Indizes gerne und häufig beim Platzhirsch MSCI. Mittlerweile gibt es über 300 kotierte Produkte in der Schweiz mit Bezug zu MSCI-Indizes. Die konkreten Indexkompositionen kennen aber nur die wenigsten Anleger und Berater.
Über 1’200 Indizes im Angebot
In den Jahren hat sich MSCI den Ruf als Platzhirsch erarbeitet. Derzeit gibt es rund 1’200 MSCI Indizes weltweit. Das Flaggschiff des Indexproviders auf Länder- und Regionenebene ist der MSCI All Country World & Frontier Markets Index (ACWI FM). Er misst die globale Entwicklung der Aktienmärkte. Seine Zusammensetzung umfasst Börsen von 25 entwickelten Ländern, 21 Schwellenländern und 25 Ländern der sogenannten Frontier Markets. Mit seinen über 8’800 Einzelmitgliedern deckt das Barometer nahezu 99% des investierbaren Universums ab. Dominiert wird der Index von den USA mit einem Anteil von gut 49%, gefolgt von Japan und Grossbritannien mit je rund 8%. Die Börsenwelt ist somit stark geprägt von den Vereinigten Staaten. Wegen seines Umfangs hat sich bislang noch niemand an eine praktische Umsetzung herangetraut. Beim ACWI FM handelt es sich somit bislang lediglich um einen theoretischen Vergleichsmassstab.
Verfeinerte Markt-Klassifizierung
Investierbar wird das MSCI-Universum ab der «zweiten Stufe». Hier trennt MSCI das Ganze in zwei Segmente auf: den MSCI All Country World Index (ACWI) und den MSCI Emerging & Frontier Markets Index (EFM). Der erste ähnelt in seinem Verhalten und seiner Struktur dem ACWI FM Index. Der EFM umfasst lediglich 960 Mitglieder, dabei deckt er ungefähr 85% der frei verfügbaren Börsenkapitalisierung der im Index enthaltenen Einzelmärkte ab. China führt die Ländergewichtung mit gut 18% an, gefolgt von Südkorea mit gut 14%, Taiwan und Brasilien mit gut bzw. rund 11% und Südafrika mit 7%.
«Weltindex» mit Überraschung
In der täglichen Anlagepraxis ist der MSCI World Index sehr häufig Benchmark oder Basiswert für Tracker-Zertifikate oder ETFs. Was Privatanleger und auch oftmals Vermögensverwalter und Private Banker nur selten wissen: Die Interpretation von «Weltindex» aus dem Blickwinkel von MSCI ist eigenwillig. Das liegt am Indexkonzept der Benchmark, welches auf die Marktkapitalisierung abstellt. Zwar sind im Index offiziell 6‘000 Aktien (keine Small Caps) aus 23 Nationen enthalten, doch der effektive Schwerpunkt des MSCI World liegt ganz klar im US-Aktienmarkt, gefolgt von Grossbritannien und Japan. Die Dominanz der Wall Street-beheimateten Aktien führt entsprechend zur sehr hohen Korrelation – durchschnittlich 0.95 – des MSCI Daily TR Net World zum S&P 500. Der Begriff «Weltaktienindex» ist daher sehr relativ zu sehen.
Vorsicht bei Nischen-Indizes
Ein zweiter Ast der MSCI-Indexfamilie selektiert die Aktienwelt nach der Grösse der Unternehmen, ein dritter nach Sektoren und ein vierter nach Anlagestilen (siehe auch Grafik). Das Spektrum von MSCI ist in seiner Breite einzigartig. Bei Nischenmärkten oder sehr eng gefassten Branchen enthalten die Indizes jedoch oft nur wenige Mitglieder. Anleger sind in diesen suboptimalen Mini-Indizes tendenziell grossen Kursschwankungen ausgesetzt. Ein Praxisbeispiel ist die weltweite Abdeckung der komplexen Branche Biotechnologie. Der MSCI World Biotechnology Index umfasst lediglich elf Aktientitel. Die von fast allen Nischenfonds gewählte Benchmark, Nasdaq Biotechnology Index, umfasst dagegen 124 Mitglieder. Offenbar sind aber auch die Research-Gurus von Morningstar nicht über alle Indextiefen erhaben. Ihre Benchmark für Fondsratings im Sektor Biotechnology ist ausgerechnet der MSCI World Biotechnology Index – wo elf Aktien den Index ausmachen.
Absatzpotenzial für intelligente Indizes
Anbieter von Exchange Traded Products setzen bei der geografischen Umsetzung hierzulande erst in der dritten Stufe (Developed Markets, Emerging Markets) ein. Viel häufiger werden dabei länderspezifische MSCI-Indizes als Basiswerte gewählt, eher seltener dagegen Sektor- oder grössenbezogene Grundgesamtheiten. Hier gibt es viel Absatzpotenzial – auch für neue Produktideen made by MSCI. So könnten «Size Indices» oder «Sector Indices» auch mit neuen Ausschlussvarianten (z.B. nur Unternehmen eines bestimmten Sektors mit einer bestimmten operativen Marge) veredelt oder gänzlich neue Indexkonzepte zur aktiven Risikosteuerung bei gleichzeitigem passivem Markt-Tracking konzipiert werden. Wie gross der Ansporn für frische Konzepte beim Indexkönig MSCI in den nächsten Jahren ist, wird sich zeigen. Gemäss einer jüngst veröffentlichten Studie der Eurex basieren weltweit bereits 40% der ETF-Aktienvermögen auf MSCI-Indizes.