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payoff Learning Curve

Multi-Asset Strukturen: Russisches Roulette oder renditestarke Anlage?

20.08.2010 5 Min.
  • Martin Diethelm

Strukturierte Produkte mit mehreren Basiswerten sind beliebt, weil vergleichsweise hohe Coupons oder Kapitalschutzlevels garantiert werden können, falls die Auszahlung auf der Performance des schwächsten Underlyings basiert. Eine Illustration zeigt den Einfluss einzelner Underlyings auf den Wert eines kapitalgeschützten Produktes.

Einzelrisiko vs. Sektor- und Marktrisiko

Im Folgenden wird von der Annahme ausgegangen, dass die Auszahlung von Strukturierten Produkten ausschliesslich vom am tiefst notierenden Basiswert abhängt. Dies ist bei den meisten Derivaten der Fall. Anders als bei einer Portfoliobildung, wo tiefe Korrelationen erwünscht sind, spielt der Einfluss bei diesen «Worst-of-Produkten» in die entgegengesetzte Richtung: Je schwächer die Basiswerte korreliert sind, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eines der Underlyings eine negative Performance erzielt. Produkte, welche auf ähnliche Titel lauten, die somit hoch korreliert sind (z.B. wenn sich alle im Bankensektor befinden), sind deshalb weniger risikoreich als Produkte, deren Basiswerte aus einem heterogenen Basket bestehen, weil nur ein einziges Sektorrisiko (hier: Banken) berücksichtigt werden muss.

Ein Beispiel

Der Unterschied zwischen Strukturierten Produkten mit einem oder mehreren Basiswerten soll an den theoretischen Preisen (ermittelt durch eine vereinfachte Monte-Carlo Berechnung) eines kapitalgeschützten Derivates illustriert werden, welches eine Laufzeit von zwei Jahren hat und im November 2008 emittiert wurde. Der Kapitalschutz liegt bei 97.5%, Basiswerte sind Nobel Biocare, Straumann und Sonova. Der Investor partizipiert zu einem Teil am positiven Kursverlauf des schwächsten Underlyings. Auf der ersten Graphik sind die indexierten Kursverläufe der drei Aktien aufgezeichnet. Straumann ist lange das Wertpapier mit der schlechtesten Performance, bis Nobel Biocare Ende April 2010 abstürzte.

Risikoaufschläge gilt es zu beachten

Auf der zweiten Graphik ist der berechnete Wert des Strukturierten Produktes blau abgetragen. Der Verlauf ähnelt demjenigen von Straumann, welche in fast der ganzen Periode am tiefsten der drei Basiswerte notiert. Die rote Linie entspricht dem Preis eines Produktes mit zwei Underlyings, ohne Sonova, dem Wertpapier mit der besten Performance. Die Differenz der beiden Kurven (anfangs ca. 4%) ist somit eine Entschädigung für das zusätzliche Risiko, welches von Sonova ausgeht. Gegen Ende nähern sich die Kurven an, weil erstens die Kursdifferenz von Sonova zu den anderen beiden Aktien grösser wird und zweitens die Restlaufzeit kleiner, was beides dazu beiträgt, dass sich die Wahrscheinlichkeit, dass Sonova noch unter die beiden anderen fällt, verringert. 

Die grüne Kurve basiert auf der Berechnung des gleichen Produktes, allerdings mit nur einem einzigen Underlying, Nobel Biocare. Es weist unter den Basiswerten die höchste Volatilität, also das grösste Risiko, aber auch die höchsten Kurschancen aus. Ein Investor, welcher das Risiko ausgehend von Sonova und Straumann ausschliessen will, müsste also anfangs einen Aufschlag von ca. 18% bezahlen (Differenz der grünen und blauen Kurve). Die Differenz nimmt im Zeitverlauf zu, weil Nobel Biocare eine gute Performance zeigt und ein anderes Wertpapier (Straumann) deutlich tiefer notiert und dadurch für das Drei-Asset Produkt den Kursverlauf im Wesentlichen bestimmt. Gegen Laufzeitende stürzt Nobel Biocare ab und wird zum Wertpapier mit der schlechtesten Performance. Dennoch bleibt die grüne Linie deutlich über der blauen, weil Straumann auf einem ähnlichen Niveau notiert und das Risiko, dass der Kurs von Straumann weiter nachgibt, immer noch beträchtlich ist.
Der Innerer Wert als zentrales Mass

Die braune Linie bildet den inneren Wert des Strukturierten Produktes ab, d.h. an jedem Tag wird der Wert des Produktes berechnet, falls es genau dann ausbezahlt würde. Diese Rechnung basiert auf der Formel für die Rückzahlung im Termsheet und kann problemlos von jedem Anleger zu Hause ausgeführt werden. Der innere Wert ist zwar ein Indikator für den realen Wert des Produktes, darf aber nicht überinterpretiert werden. Anders als im Fall einer Plain Vanilla Option kann er bei dieser Klasse von Strukturierten Produkten auch über demjenigen des theoretischen oder Marktwertes liegen. Der innere Wert liegt tendenziell dann über dem theoretischen Wert, wenn alle Underlyings im positiven Bereich tendieren und die Gefahr eines Absturzes massgeblich den Marktwert des Produktes bestimmt. Haben z.B. alle Basiswerte genau 30% gewonnen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eines abstürzt (Wert des Strukturierten Produktes sinkt), grösser, als dass alle weiter steigen (nur wenn alle steigen, steigt auch der Endwert des Produktes). Befinden sich alle Wertpapiere hingegen in einem negativen Bereich, liegt der innere Wert auf dem Kapitalschutzniveau. Der Marktwert muss in diesem Fall höher sein, weil das Kapitalschutzniveau auf jeden Fall garantiert wird, aber trotzdem eine Möglichkeit besteht, dass alle Underlyings noch im Wert steigen und das Derivat noch über das Kapitalschutzniveau hinauskommt (dies analog dem Zeitwert einer Out of the money Option). 

Für den Anleger bleibt das Pricing von Multi-Asset Strukturen ein grosses Stück intransparent und kompliziert. Je mehr Basiswerte ein Strukturiertes Produkt aufweist und je verschiedener diese sind, desto höher ist das Risiko eines Absturzes. Gerade deshalb können aber höhere Coupons für Reverse Convertibles oder höhere Partizipationsraten für Kapitalschutzprodukte angeboten werden. Für geübte Anleger, welche eine positive Meinung für alle Basiswerte haben, sind diese Derivate entsprechend interessant. Weniger versierte Anleger sollten sich vor allem des Risikos solcher Wertpapiere bewusst sein und sich an neutralen Analysen oder neutral geprüften Produktempfehlungen orientieren.

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