Zurück
payoff Blockchain Report

NFTs: eine nüchterne Betrachtung

30.03.2022 7 Min.
  • Pascal Hügli
    Redaktor

Als ambitionierter Investor sieht man sich in der Pflicht, die Welt der Anlagen stets auf Neue nach Investmentmöglichkeiten abzusuchen.

Im Zuge dieser kontinuierlichen Suche dürfte ein Anleger in den vergangenen Monaten unweigerlich auf sogenannte NFTs gestossen sein. Diese erleben derzeit einen regelrechten Hype, der nicht zuletzt von Promis wie Justin Bieber, Snoop Dogg, Paris Hilton und weiterer angefacht wird. Für viele Beobachter stellen NFTs allerdings ein Buch mit sieben Siegel dar, deren einziges Wiedererkennungsmerkmal die Nähe zu den ebenso ominösen Kryptowährungen darstellt.

Wichtige Unterscheidung: Fungibilität versus Nicht-Fungibilität

Sowohl Kryptowährungen als auch NFTs ist gemeinsam, dass sie beide auf einer öffentlichen Blockchain basieren. Abgesehen davon, unterscheiden sich diese neuen digitalen Anlage-Erscheinungen jedoch grundlegend. Kryptowährungen sind fungibel, was bedeutet, dass jede Kryptowährungseinheit jeder anderen gleichnamigen Kryptowährungseinheit in Typ und damit im Wert gleich ist. Das intuitivste Beispiel zur Veranschaulichung der Fungibilität ist ein Geldschein. Zehn Schweizer Franken sind mit jedem anderen Zehn-Franken-Schein austauschbar und gel- ten daher als fungibel.

Genau anders herum verhält es sich mit einem NFT. Der Begriff «NFT» ist eine Abkürzung und steht für «Non-Fungible-Token». Im Wesentlichen handelt es sich um einen einzigartigen Vermögenswert, der nicht mit anderen identisch ist. Der Fachbegriff dafür ist «Nicht-Fungibilität». Ein nicht-fungibler Token (NFT) ist einmalig, weil dieser eindeutig identifizierbar und grundsätzlich nicht teilbar ist.

Ein NFT lässt sich daher mit allem verbinden, was nicht-fungible Eigenschaft aufweist. Das können Kunstgegenstände, Immobilien oder Anleihen sein. Mittels Tokenisierung sollen dereinst Güter aus der uns bekannten traditionellen Welt einen digitalen Zwilling erhalten und so in der virtuellen Welt abgebildet werden.

Der Aufstieg der digitalen Kunst

Während Immobilien- oder Anleihen-NFTs einen potenziell riesigen Markt darstellen, befindet sich die erforderliche Infrastruktur zur Tokenisierung sowie die notwendige Regulierung noch immer in einem Frühstadium. Den NFTs zum Durchbruch verholfen haben kurios wirkende, digitale Sammlerstücke.

Bereits im Oktober 2015 – nur drei Monate nach der Lancierung Ethereums – wurde das erste NFT-Projekt namens Etheria auf Ethereum gestartet. Ein Meilenstein für die weitere Entwicklung von NFTs stellt die Einführung des NFT-Token-Standards ERC-721 auf der Ethereum-Blockchain im Jahr 2017 dar. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch inzwischen äusserst beliebte NFT-Projekte wie die CryptoPunks erschaffen.

Eine echte Dynamik gewann der NFT-Markt allerdings erst im Jahr 2020. Ende 2021 hatte dieser Markt in mehreren hochkarätigen NFT-Kunstauktionen und -Sekundärmarkt- verkäufen einen Wert von insgesamt mehr als USD 40 Milliarden umgesetzt. Und für dieses Jahr wird dem NFT-Markt sogar der «Go-Mainstream»-Moment prognostiziert.

Ein Schritt zurück: Was genau ist ein NFT?

Bis dato lauten NFTs hauptsächlich auf eine digitale Datei, auf ein digitales Kunstwerk oder auf ein digitalisiertes Musikstück. In Kombination mit einer öffentlichen Blockchain (z. B. Ethereum, Flow, Solana, Icon) erhalten diese digitalen Güter ein Knapp- heitselement und werden so alleinig besitz- bar sein, was letztlich Exklusivität schafft. Für viele gleichwohl verwirrend ist Folgen- des: Das eigentliche digitale Kunstwert – die mit einem NFT assoziierte digitale Illustration beispielsweise – existiert doch als frei verfügbare Datei im Internet und kann von jedermann nach freien Stücken mit der rechten Maustaste angeklickt und gespeichert werden.

Um in dieser Sache Klarheit zu schaffen, müssen die drei Hauptkomponenten eines jeden NFTs verstanden werden. So gibt es den eigentlichen, nicht-fungiblen Token, der als Smart-Contract auf einer öffentlichen Blockchain programmiert ist. Ebenfalls auf der Blockchain abgelegt ist die Erkennungsmarke (TokenURI), die auf Metadaten des NFT hinweist. Diese Metadaten versehen den NFT mit Informationen, welche über den zugrunde liegenden Inhalt informieren. Die dritte wesentliche Komponente ist der repräsen- tierte Inhalt selbst – also die digitale Illustration zum Beispiel.

Führt man sich diese Gesamtanatomie eines NFTs vor Augen, leuchtet ein: Nur der als Smart-Contract programmierte nicht-fungible Token liegt auf der Blockchain. Die Metadaten sowie der repräsentierte Inhalt befinden sich in den allermeisten Fällen ausserhalb der Blockchain. Wer einen NFT besitzt, hält exklusiv den Token nicht aber den Inhalt, der dem NFT zugrunde liegt. Man könnte auch schliessen: Als NFT-Besitzer hält man ein of- fiziell beglaubigtes Autogramm des Künstlers, nicht aber das Kunstwerk selbst.

Im besten Fall wären Metadaten und zugrunde liegender Inhalt auch auf der öffentlichen Blockchain abzulegen. Oftmals ist das allerdings nicht möglich, weil es extrem kostspie- lig ist, diese Dinge direkt auf der Blockchain abzuspeichern. Abhilfe schaffen sollen sogenannte dezentrale Speicherlösungen wie Arweave, Filecoin oder Sia, während Dienstleister wie Filebase oder Pinata die dezentralen Speicherlösungen zu benutzerfreundlichen Angeboten bündeln.

«Um in dieser Sache Klarheit zu schaffen, müssen die drei Hauptkomponenten eines jeden NFTs verstanden werden.»

Sind die zugrunde liegenden Inhalte eines NFT auf dezentralen Speicherlösungen abgelegt, können zentralisierte Serverlösungen vermieden werden, so dass ein NFT-Besitzer alle drei Komponenten seines NFTs jederzeit abrufen kann. Die Verbindung ebenfalls stärken werden NFT-Verifikationsinstrumente, welche direkt in Wallets und Applikationen von NFT-Dienstleistern einbaut werden. Die Social-Media-Plattform Twitter erweist sich in dieser Hinsicht als Werbereiter.

Woher hat ein NFT seinen Wert?

Woher aber stammt schliesslich der Wert ei- nes NFTs? Für dessen Bewertung lassen sich drei Teilbereiche ausmachen: Technik, Ökonomik und Memetik. Die ersten beiden Be- reiche sind einfach zu verstehen. In der technischen Beurteilung eines NFTs fragen wir nach der unterliegenden öffentlichen Blockchain. Diese legt fest, wie sicher und beständig ein NFT ist – beides Eigenschaften, die wertdefinierend sind.

Eine Bewertung basierend auf ökonomischen Gesichtspunkten umfasst in erster Linie die Exklusivität sowie «Tokenomics» eines NFTs: Gibt es ein begrenztes Angebot und wenn ja, wie «knapp» ist eine NFT-Kollektion? Wie steht es um den Nutzen eines NFTs? Gibt es einen Verwendungszweck in einem Game? Bietet der NFT Zugang zu einer Webseite oder dient dieser als Verifizierungstoken, um an einem physischen oder digitalen Konzert teilzunehmen? Ist der NFT gar als ein Ertrag bringender Vermögenswert ausgestaltet und wenn ja, wie hoch ist sein Cash-Flow?

Beide – sowohl die technische als auch die ökonomische Betrachtungsweise – sind wichtig, doch sie spielen, was gemeinhin unterschätzt wird, gegenüber der mimetischen Bewertung eine untergeordnete Rolle. Dies zeigt sich daran, dass es NFT-Kollektionen gibt, die auf derselben Blockchain basieren und eine ähnliche Knappheit aufweisen, im Wert aber stark voneinander abweichen. Um dieses Phänomen zu verstehen, ist die mimetische Analyse unabdingbar.

Die Memetik ist ein soziologisches Konzept und beruht auf dem mimetischen Begehren – die Vorstellung, dass wir Menschen stets das wollen, was andere Menschen auch wollen. In der Bewertung von NFTs, ist diese Sichtweise unerlässlich. Sie sind letztlich Statusobjekte in einem immerwährenden Wettstreit um soziale Anerkennung.

Oberflächlicher Ausgangspunkt der Analyse ist das künstlerische Können eines NFT-Schöpfers sowie die ästhetische Begehrlichkeit des NFTs, die sich je nach Können als stärker oder schwächer herausstellt. Entscheidender sind allerdings Herkunft, Geschichte sowie Mythos, welche eine NFT-Kollektion umgeben. Je einzigartiger und aussergewöhnlicher die erzählte Geschichte, desto sagenumwobener das Narrativ und desto stärker die mimetische Sehnsucht, Teil dieser Erzählung zu sein.

Als ökonomisch knappe, besitzbare Sache ermöglicht ein nicht-fungibler Token, an einer solchen Erzählung mit Aussicht auf einen finanziellen Gewinn teilhaben zu können. Wie hoch dieser finanzielle Gewinn – sprich der Wert eines NFTs – sein wird, hängt davon ab, wie gut die mimetische Sehnsucht kontinuierlich durch geschicktes Story-Telling aufrechterhalten werden kann. Dabei ist es wichtig Folgendes zu verstehen: der Inhalt eines NFTs – die digitale Illustration beispielsweise – ist nur ein Symbol für die Idee, die Geschichte, den Kontext und alles andere, was den wahren Wert des NFTs ausmacht.

Über das Ziel eines NFT-Investors

Ob als NFT-Flipper, der bei gehypten NFT-Projekten nur für das schnelle Geld kurzfristig einsteigt oder als NFT-Käufer mit einem mehrjährigen Anlagehorizont, die Vorgehensweise ist die gleiche: Sie werden dafür belohnt, zu antizipieren, was (bald) angesagt sein wird. Oder anders ausgedrückt: Ihre Aufgabe besteht darin, jene Projekte zu suchen, welche über das beste Narrativ verfügen und imstande sind, das Story-Telling davon best- und längstmöglich fortzuführen, um die mimetische Sehnsucht nach dem entsprechenden NFT fortwährend aufrechtzuerhalten.

Nicht vergessen sollte man allerdings: Von den Tausenden NFT-Projekten werden viele sehr wahrscheinlich wertlos werden. Schon 2017 durchlebte die Kryptowelt die ICO-Blase, als Projekte mittels Initial Coin Offering Unsummen an Kapital sammelten. Heute ist ein Grossteil davon in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.

Weitere News aus der Rubrik

Unsere Rubriken