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payoff Interviews

Noch keine restriktivere Notenbankpolitik aufgrund der Inflation

06.01.2022 5 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Herr Kruse, welche Erwartungen hat Amundi für das Anlagejahr 2022?
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Konjunktur weiterhin über Potenzial wächst und sich die weltwirtschaftliche Dynamik nach der COVID-19-Pandemie weiter normalisiert. Dabei bleibt die Inflation im kommenden Jahr unserer Einschätzung nach über den Zielwerten der Zentralbanken. Ein entscheidender Einfluss kommt insofern im nächsten Jahr dem Agieren der Notenbanken zu.

Welche schwarzen Schwäne könnten das Szenarium über den Haufen werfen?
Unsicherheitsfaktoren sind neuerliche wirtschaftliche Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie: sei es infolge von Lockdowns, Produktionseinbrüchen wegen erhöhter Krankenraten oder auch logistischer Verwerfungen. Dies alles sind Risiken, die zusätzlich zu berücksichtigen wären.

«Ein entscheidender Ein- fluss kommt im nächsten Jahr dem Agieren der Notenbanken zu.»

Warum beunruhigt die hohe Inflation die Märkte bislang nicht?
Die Notenbanken weisen zum einen stark daraufhin, dass grosse Anteile der Inflation «angebotsgetrieben» seien und sich aus den nachgelagerten Entwicklungen der Corona-Pandemie ergeben hätten. Zum anderen liefern sie in ihrem Handeln ein hohes Mass an Transparenz. Die Marktteilnehmer müssen bisher also noch nicht annehmen, dass es in den kommenden Monaten zu einer deutlich restriktiveren Notenbankpolitik aufgrund der weiterhin hohen Inflation kommen wird, die dann auch die Wirtschaft zusätzlich abbremsen würde.

Wie sieht aktuell die Asset-Allokation bei Amundi für einen ausgewogenen Anleger aus?
Unsere Aktiengewichtung haben wir in den vergangenen Monaten in einem ausgewoge- nen Portfolio auf neutral zurückgenommen. Regional präferieren wir für 2022 bei Aktien Europa, Japan und in der zweiten Jahreshälfte auch einige Emerging Markets – insbesondere China. Auf der Obligationenseite bevorzugen wir eine etwas kürzere Duration, da wir auf Sicht der kommenden zwölf Monate mit einem leichten Zinsanstieg rechnen. Kern-Staatsanleihen bleiben weiter unattraktiv. Hingegen sehen wir grössere Chancen im Bereich der Investmentgrade-Unternehmensanleihen und auch bei Schwellenländeranleihen.

«Amundi setzt sich mit einem ehrgeizigen ESG-Plan Ziele für die unternehmenseigene Nachhaltigkeit.»

Wo legt Amundi im Bereich Aktien das Schwergewicht (sektoriell, thematisch)?
Verbunden mit dem erwarteten Zinsanstieg rechnen wir damit, dass sich Value-Titel in 2022 besser entwickeln sollten. Thematisch wird uns das Thema Nachhaltigkeit auch sicher weiter begleiten. 2021 ist beispielsweise auf dem europäischen ETF-Markt jeder zweite Euro in ein ESG-Produkt geflossen. Anziehende regulatorische Anforderungen an Investoren und die milliardenschweren Investitionsprogramme der öffentlichen Hand in vielen Ländern werden dem ESG-Segment weiter Rückenwind verleihen.

Welche festverzinslichen Anlagen versprechen in den kommenden zwölf Monaten die besten Kurschancen?
Neben Unternehmensanleihen im Investmentgrade-Bereich sehen wir auch gute Chancen für Staatsanleihen aus verschiedenen Emerging Markets – sowohl in lokaler Währung als auch in US-Dollar oder Euro.

Wo sieht Amundi abseits der traditionellen Anlagen, Aktien und Obligationen, vielversprechende Optionen im Jahr 2022 (Rohstoffe, Kryptoanlagen, alternative Anlagen)
Wegen der hohen Inflation sehen wir vor allem im Bereich der Real Assets Chancen. Hinzu kommt, dass auch die hohen Investitionen in Infrastruktur dieses Segment unterstützen werden. Aussichtsreich sind aus unserer Perspektive zudem der Bereich der Industriemetalle.

«In jedem Fall würden wir Produkte mit einem Aktienanteil empfehlen.»

Was sind die Ziele des jüngst von Amundi lancierten ESG-Plan 2025?
Amundi verwaltet mehr als EUR 800 Milliarden in ESG-Strategien und setzt sich mit einem ehrgeizigen ESG-Plan Ziele für die unternehmenseigene Nachhaltigkeit. Drei Bereiche stehen dabei im Fokus: Erstens verpflichten wir uns zu quantitativen und qualitativen Fortschritten des ESG-Angebots, darunter das Ausrollen eines noch strengeren Umwelt-Ratings, die Entwicklung von Net-Zero-2050 – sowie von Impact-Fonds oder eine ESG-Quote von 40 % bei passiven Fonds. Zweitens werden wir unseren Einfluss als Investor im Bereich der unkonventionellen Öl- und Gasförderung bei unserer Abstimmungs- und Engagement-Politik noch stärker geltend machen. Und drittens werden wir die Forderungen, die wir an andere Unternehmen stellen auf unser eigenes Geschäftsmodell übertragen. Das heisst unter anderem, dass wir unsere Treibhausgasemissionen weiter reduzieren und die ESG-Zielerreichung in unsere Lohnpolitik einfliessen lassen.

Wird der Ausgang der im April in Frankreich anstehenden Präsidentschaftswahlen Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben?
Momentan scheinen in Frankreich diejenigen Parteien am meisten Aufmerksamkeit zu erhalten, die am stärksten polarisieren. Ob diese Aufmerksamkeit dann auch zu Stimmgewinnen führt, wird sich allerdings erst noch zeigen. Für die Kapitalmärkte relevant ist aber vor allem die Frage, ob die neue französische Regierung in der Zusammenarbeit mit Deutschland und auch in einem neu aktivierten Bündnis mit Italien viele Projekte, die in den vergangenen Jahren angestossen, aber nicht beendet worden sind, weiter vorantreiben kann. Auch Initiativen in der Industrie, wie zum Beispiel eine europäische Investitionsinitiative im Bereich der Halbleiterfertigung, sind ein interessantes Thema.

«Ich würde mich vor allem über ein Ende der Corona-Pandemie sehr freuen.»

Welche drei Produkte aus dem Hause Amundi eignen sich besonders gut für einen konservativen Anleger?
In jedem Fall würden wir Produkte mit einem Aktienanteil empfehlen. Im weiter anhaltenden Niedrigzinsumfeld bieten sich hier vor allem ausschüttende Fonds wie der Amundi Welt Ertrag Nachhaltig an; dann aber auch Fonds, die vom Trend zu mehr Nachhaltigkeit profitieren – hier unter anderem der Amundi European Equity ESG Improvers, ein reiner Aktienfonds, der auf Unternehmen setzt, die ihre ESG-Bilanz merklich verbessern. Und in Hinblick auf den Trend zu Real Assets sicherlich auch der Amundi Real Asset Target Income.

Welchen persönlichen Wunsch haben Sie für das neue Jahr?
Ich würde mich vor allem über ein Ende der Corona-Pandemie sehr freuen, beziehungsweise über eine Normalisierung in der Zeit danach.

Vielen Dank!

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Thomas Kruse ist der Chief Investment Officer von Amundi Deutschland. Als Fondsmanager verwaltete er ausserdem den Amundi – Global Multi-Asset Target Income. Thomas Kruse ist seit 1995 in der Investmentbranche tätig. Der begeisterte Radfahrer hat Wirtschaftswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel studiert.

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