Rohstoffe – Anlageklasse mit Ecken und Kanten
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Serge Nussbaumer, Chefredaktor
Nicht nur die Fülle an Preisparametern macht Rohstoffe zu einem speziellen Investmentfeld. Auch die Art und Weise wie die Naturwaren gehandelt werden ist besonders. Wir werfen einen Blick auf eine Anlageklasse, die sich dem schwachen Börsenumfeld zuletzt entziehen konnte.
Auf den Flüssen und Weltmeeren ist viel los. Das Trackingportal MarineTraffic bildet aktuell die Positionen von knapp 1.8 Millionen Schiffen ab. Dazu zählen mehr als eine Viertelmillion Containerfrachter und 48’000 Tanker. Die Beobachtung dieser beiden Schiffstypen zählt zum Instrumentarium vieler Rohstoffanalysten. Sie leiten daraus Indikationen für die globalen Warenströme respektive die Versorgungslage bei Öl, Metallen oder Getreide ab. Neben der Situation auf den Wasserstrassen und in den Häfen ist die Meteorologie ein täglicher Wegbegleiter der Rohstoffexperten. Sei es ein Hurrikan vor der US-Golfküste oder Trockenheit auf den brasilianischen Kaffeeplantagen: Das Wetter kann entscheidenden Einfluss auf die Aussichten für bestimmte «Commodities» nehmen. Gleiches gilt für die Geopolitik. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat viele Gewissheiten am internationalen Rohstoffmarkt über den Haufen geworfen und zu massiven Preisausschlägen geführt. Neben der Furcht vor Versorgungsengpässen zieht der Konflikt eine Eintrübung der konjunkturellen Aussichten nach sich. Vor diesem Hintergrund hat so mancher Analyst seine Prognose für den Warenverbrauch nach unten revidiert.
Die enorme Vielfalt der Anlageklasse Rohstoffe geht über die skizzierten Preisparameter hinaus. Auch die Art und Weise des Rohstoffhandels ist speziell – doch dazu später mehr. Aus der Reihe getanzt haben Öl & Co. zuletzt auch in punkto Performance. Während bei Aktien und Obligationen nach den ersten zehn Monaten 2022 die roten Vorzeichen überwiegen, notiert der UBS CMCI Composite Index mehr als ein Zehntel über dem Schlussstand von 2021. Ausgehend von dem während der Anfangsphase der Corona-Pandemie erreichten Tiefstständen hat sich die breit diversifizierte Commodity-Benchmark sogar mehr als verdoppelt (siehe Grafik 1). Folgerichtig war in den vergangenen beiden Jahren immer wieder von einem neuen «Superzyklus» am Rohstoffmarkt die Rede.
Eine Rolle vorwärts
Im Januar jährte sich die Lancierung der CMCI-Indexfamilie zum fünfzehnten Mal. Anfang 2007 hatte sich die UBS mit dem Nachrichten- und Datendienstleister Bloomberg zusammengetan, um eine Rohstoffbenchmark der zweiten Generation aufzubauen. Das schweizerisch-amerikanische Duo wollte die Unwägbarkeiten dieses Marktes so gut als möglich ausklammern. Rohstoffe werden auf Termin gehandelt. Die an Warenbörsen festgestellten Preise beziehen sich auf genau definierte Futures. Neben Menge und Beschaffenheit der jeweiligen Ware zählen Lieferort- und Zeitpunkt zu den wichtigsten Spezifikationen. Zwar ist auch eine Abwicklung (Settlement) in bar möglich. Gleichwohl sind Investoren, die sich dauerhaft positionieren möchten, auf den regelmässigen Austausch der Futures angewiesen. Gleiches gilt für die Provider von Rohstoffindizes.
Der erforderliche Rollvorgang kann den Wert einer Benchmark erheblich beeinflussen, sobald die Preise der involvierten Kontrakte voneinander abweichen. Notiert der angesteuerte Future über dem auslaufenden, spricht man vom «Contango». Wirtschaftlich stecken hinter dem Fachbegriff unter anderem Lager- und Finanzierungskosten. Umgekehrt befindet sich ein Rohstoff in der «Backwardation», wenn eine spätere Lieferung günstiger zu haben ist. Marktteilnehmer sind dann bereit, einen Aufschlag für die kurzfristige Verfügbarkeit eines Rohstoffs zu zahlen.
Latente Ölknappheit
Aktuell besteht unter anderem am Ölmarkt eine klassische Backwardation: Der Ende November fällige Future auf ein Barrel Brent mit einer Lieferung im Januar 2023 notiert bei knapp USD 93. Wer sich das schwarze Gold per April kommenden Jahres sichern möchte, kann für rund USD 5 günstiger zuschlagen. Per Ende 2023 ist ein Fass für USD 82.29 zu haben, während der Kontrakt mit einem um 12 weitere Monate in der Zukunft liegenden Lieferzeitpunkt noch einmal gut USD 5 tiefer notiert (siehe Grafik 2). In diesem Verlauf der Terminkurve kommt eine kurzfristig drohende Unterversorgung bei Öl zum Ausdruck. Beim regelmässigen Austausch von Futures entstehen in dieser Konstellation Rollgewinne. Grund: Der Verkauf des auslaufenden Kontrakts wirft mehr ab, als der Erwerb des nächstfälligen kostet. Dagegen zerrt ein Contango an der Indexrendite.
Moderne Benchmarks umgehen diese Problematik, indem sie den Rollvorgang verändern. Das CMCI-Konzept dreht an zwei Stellschrauben. Anstatt punktuell weiter zu rollen, wird täglich ein Teil der Future-Allokation transferiert. Diesem Prinzip verdankt die Benchmark ihren Namen: Constant Maturity Commodity Index. Das zweite Kernelement dieser Methodik ist die Positionierung über die gesamte Terminkurve hinweg. Auf diese Weise soll eine Konzentration auf das vordere Ende des Laufzeitenspektrums verhindert werden.
Platzhirsch in der Nische
Als UBS und Bloomberg die CMCI-Familie an den Start brachten, erlebte der Rohstoffmarkt gerade einen Superzyklus. Er sorgte dafür, dass weitere Indexanbieter mit Benchmarks der neuen Bauart um das Kapital der Investoren buhlten. Dieser Wettbewerb spielte sich auch und gerade am Markt für Strukturierte Produkte ab. Zwei Finanzkrisen, begleitet von starken Korrekturen, würgten den Boom ab. Heute spielt die Anlageklasse im Schweizer Struki-Markt eine untergeordnete Rolle. Von den insgesamt mehr als 1’700 an SIX kotierten Tracker-Zertifikaten basieren gerade einmal gut 6% auf Rohstoffen. In dieser Nische dominiert die UBS. Zu ihrem Fundus zählt das Tracker-Zertifikat CCMCIU. Mit diesem Produkt könnten können sich Anleger das ganze Warenspektrum (siehe Grafik 3) gegen eine Gebühr von 0.50% p.a. samt Währungsabsicherung in ihr Portfolio holen. Zu den Überresten der ursprünglich von ABN Amro eingeführten Indexwelt «RICI Enhanced» zählt der Tracker RICBU. Das heute von BNB Paribas gehandelte Produkt bildet Brent mittels einer modernen Rollmethodik ab.
Stapelweise Gold
Anzutreffen sind die Commodities auch im Segment der Exchange Traded Products (ETP). Hierbei handelt es sich um physisch hinterlegte Anlagevehikel. Zu den grössten Produkten dieser Art zählt der Invesco Physical Gold ETC SGLD. Die für die Besicherung zuständige J.P. Morgan Chase Bank verwahrt für das passive Instrument in ihren Londoner Tresoren derzeit mehr als 250 Tonnen Gold. Zu den führenden Anbietern von passiven Edelmetallanlagen zählt auch die ZKB. Die Zürcher Kantonalbank bildet Gold & Co. im ETF-Mantel ab. Diese Produkte sind im Prinzip mit den ETCs baugleich: Das zugrunde liegende Metall wird physisch gehalten. Ein Unterschied ist, dass ETFs als rechtlich eigenständige Kollektivgefässe gemäss dem Schweizer Kollektivanlagengesetz (KAG) gelten. ETCs sind dagegen Schuldverschreibungen, sie würden bei einer Zahlungsunfähigkeit der Emittentin der Konkursmasse zufallen. Dagegen bleibt das Kapital der ETF-Anleger aussen vor, weil es durch das KAG besonders geschützt ist. Zum Spektrum der insgesamt knapp 157 Tonnen an Gold verwaltenden ETFs der ZKB zählt ZGLDUS. Dieser Fonds wird wie das Edelmetall selbst in USD gehandelt.
Fazit: Rohstoffe sollten allein aus Diversifikationsgründen in einem ausgewogenen Portfolio nicht fehlen. Hier bietet der CMCI Composite Index eine einfache und kostengünstige Lösung. Wer in Einzelrohstoffe wie Öl investiert, muss sich der Besonderheiten dieses Marktes bewusst sein und sollte eine gewisse Erfahrung mitbringen. Bei Gold gehen die Meinungen seit jeher auseinander. Für viele Anleger ist die Krisenwährung ein «Must-Have». Kritiker sehen sich dagegen in der aktuellen Schwäche der Feinunze darin bestätigt, dass auf Gold als Inflations-Hedge kein Verlass ist. Letzten Endes spielt eben auch bei der Geldanlage der persönliche Geschmack keine ganz unwesentliche Rolle.