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payoff Learning Curve

Strukturierte Produkte: Ein tiefer Blick hinter die Kulissen

21.11.2023 5 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Bei der Wahl des Investments sollten Anleger nichts dem Zufall überlassen. Daher ist es wichtig zu wissen, wie Strukturierte Produkte funktionieren und welchen Einflussfaktoren sie ausgesetzt sind.

Wer heute ein Fahrzeug kauft, und das gilt insbesondere für teure Luxus-Autos (siehe Fokusartikel «Luxus-Autos: Faszination auf vier Rädern»), will auch über die Details genau Bescheid wissen. Welche Leistung ist zu erwarten, ist der Komfort angemessen und hält die auf Hochglanz polierte Karosse, was sie verspricht? Im Kern stellen sich Anleger die gleichen Fragen, bevor sie ein Strukturiertes Produkt erwerben. Wie hoch ist die Renditechance, bin ich ausreichend geschützt und ist die Qualität zufriedenstellend?

Um wirkliches Fachwissen aufzubauen, müssen Anleger aber noch einen Schritt weitergehen und sich darüber informieren, welche Einflussfaktoren den Aufbau und die Entwicklung eines Produkts bestimmen.

Um diese Fragen beantworten zu können, ist ein Blick in die Bedienungsanleitung, sprich das Termsheet, unerlässlich. Um wirkliches Fachwissen aufzubauen, müssen Anleger aber noch einen Schritt weitergehen und sich darüber informieren, welche Einflussfaktoren den Aufbau und die Entwicklung eines Produkts bestimmen. Diesbezüglich bringen wir Licht ins Dunkel.

Des Schweizers liebstes Kind

Jedes einzelne Produkt in seine Bestandteile zu zerlegen, würde natürlich den Rahmen dieses Artikels sprengen. Wir picken uns daher die wichtigsten Strukturen heraus und beleuchten diese dann bis ins Detail. Dabei steht der hierzulande überaus beliebte Barrier Reverse Convertible (BRC) an erster Stelle. Das am häufigsten kotierte Produkt, allein im August entfielen 89% der neu emittierten Anlageprodukte an SIX Exchange auf diese Kategorie, ist so einfach wie auch effektiv: Es verfügt in der Regel über Coupons, die weit über dem Geldmarktzins oder klassischen Bonds liegen, sowie gleichzeitig einer Barriere, die für einen bedingten Teilschutz sorgt. 

Die Konditionen eines BRCs verbessern sich bei schwankungsanfälligeren respektive risikoreicheren Basiswerten.

Möglich macht dies ein spezieller Produktaufbau: Ein BRC besteht zu einem Teil aus einer Obligation, zum anderen wird eine Down-and-In Put-Option an den Emittenten verkauft. Dabei entspricht die Knock-in-Schwelle des Puts der Barriere des BRCs. Vorwiegend diese beiden Komponenten bestimmen bei Emission die Konditionen des Produkts. Zudem spielen bei der Preisgestaltung, das gilt ebenso während der Laufzeit, die implizite Volatilität sowie die Dividendenprognosen eine wichtige Rolle. Die erwartete Schwankungsbreite ist eine wesentliche Grösse bei Optionen und nimmt somit auch Einfluss auf die Prämie der Put-Option. Je höher die implizite Volatilität des Underlyings, desto höher auch der Erlös. Oder anders ausgedrückt: Die Konditionen eines BRCs verbessern sich bei schwankungsanfälligeren respektive risikoreicheren Basiswerten. Die während der Laufzeit erwarteten Dividenden eines Underlyings bestimmen ebenfalls über die Konditionen. Als Faustregel gilt: Je höher die Ausschüttungen, umso attraktiver die Ausstattung des Produkts, denn die zu erwartenden Einnahmen fliessen wiederum in den Aufbau.

Für sicherheitsbedürftige …

Kapitalschutz-Zertifikate weisen dagegen eine gewisse Verwandtschaft zu klassischen Bonds auf. Daher spielt die Höhe des allgemeinen Zinsniveaus bei dieser Produktgattung eine entscheidende Rolle. Es gilt zu beachten: Je höher das Zinsniveau, desto attraktiver die Ausgestaltung des Zertifikats. Dies erklärt auch, warum die Emittenten nach einer langen «Dürrezeit» zuletzt wieder vermehrt Garantiepapiere auf den Markt brachten. In Zeiten hoher Zinsen ergeben sich für Kapitalschutz-Zertifikate in der Regel nämlich höhere Ertragschancen. Analog verhält es sich bei klassischen Anleihen, die in Hochzinsphasen mit höheren Ausschüttungen locken. Die Zinsentwicklung wirkt sich auch während der Laufzeit auf das Kapitalschutz-Zertifikat aus. Ein steigendes Niveau beeinflusst den Kurs des Zertifikats am Sekundärmarkt negativ. Umgekehrt haben sinkende Zinsen während der Laufzeit einen positiven Einfluss.

Je höher das Zinsniveau, desto attraktiver die Ausgestaltung des Zertifikats.

Darüber hinaus ist auch die Performance des zugrunde liegenden Basiswerts relevant. Dies gilt im Übrigen auch für BRCs. So schlägt sich eine positive Wertentwicklung des Underlyings während der Laufzeit in steigenden Kursen des Zertifikats nieder und ermöglicht dem Anleger bei einem vorzeitigen Verkauf eine attraktive Rendite zu realisieren. Andererseits kann eine negative Entwicklung des Basiswertes den Kurs eines Garantiepapiers während der Laufzeit unter den Emissionspreis respektive dem Kapitalschutzbetrag – der nicht zwingend bei 100% sein muss – absinken lassen. Der Kapitalschutz zum Laufzeitende bleibt freilich bestehen, im Falle eines vorzeitigen Verkaufs könnten jedoch Verluste entstehen. Die Volatilität sowie die Dividendenrendite des Basiswerts zählen wie schon beim BRC ebenfalls zu den Einflussgrössen.

Was die Anlageprodukte darüber hinaus vereint, ist die Abhängigkeit von der Zahlungsfähigkeit des Emittenten. Je schlechter die Bonität, desto höher ist das Ausfallrisiko. Dies wiederum hat zur Folge, dass Emittenten mit schlechterer Bonität eine höhere Verzinsung beziehungsweise bessere Konditionen bieten müssen, um trotz des vergleichbar höheren Ausfallrisikos attraktiv zu sein. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Anleger ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Rendite vor dem Kauf genau abwägen müssen.

Was die Anlageprodukte darüber hinaus vereint, ist die Abhängigkeit von der Zahlungsfähigkeit des Emittenten.

… und wagemutige Anleger

Bei Hebel-Papieren, der insgesamt grössten Produktkategorie an der SIX, spielt die Bonität eine eher untergeordnete Rolle, schliesslich werden diese Produkte meist nur sehr kurzfristig eingesetzt. Allerdings unterliegen auch Warrants, Turbos und Mini Futures ähnlichen Einflussfaktoren wie die Anlageprodukte. Dies gilt bei Optionsscheinen vorrangig für die implizite Volatilität, die sich stark auf den Zeitwert auswirkt. Nimmt die erwartete Schwankungsbreite des Basiswertes zu, erhöht sich auch der Zeitwert, da bei einer höheren Volatilität die Chance steigt, dass der Warrant an innerem Wert gewinnt – und umgekehrt. Vereinfacht ausgedrückt ist der Zeitwert eine Prämie, welche der Anleger für die Aussicht zahlt, dass die Spekulation im Zeitverlauf aufgeht. Turbos und Mini Futures bestehen im Unterschied zu Warrants fast nur aus innerem Wert. Aufgrund der speziellen Konstruktion spielt der Zeitwert kaum eine Rolle. Dafür bergen diese Hebelprodukttypen besondere Risiken in Form von sogenannten Knock-out-Schwellen, die bei einer Verletzung für einen Totalverlust sorgen. Optionsscheine können sich über die Laufzeit dagegen wieder erholen.   

Vereinfacht ausgedrückt ist der Zeitwert eine Prämie, welche der Anleger für die Aussicht zahlt, dass die Spekulation im Zeitverlauf aufgeht.

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