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payoff Blockchain Report

Tokenised Rinderfarm in Südamerika

12.08.2019 8 Min.
  • Roger Darin

Ehemaliger Investmentbanker bietet die mögliche Investition in eine Rinderfarm bei absolut tiefen Kosten. Der Investor wird quasi seine eigene Bank.

Seit der Kurs von Bitcoin im Frühling dieses Jahres erneut zu einem Höhenflug angesetzt hat, beschäftigen sich viele Skeptiker ernsthaft mit der Frage, ob dieses Krypto-Teufelszeug vielleicht nicht doch irgendeinen Nutzen mit sich bringt. Selbst prominente Zweifler wie UBS Verwaltungsratspräsident Axel A. Weber, welcher nebst zwei Doktoraten auch einen Professor Titel besitzt, äusserte sich schon vorsichtig positiv zur Blockchaintechnologie — auch wenn Bitcoin für ihn «kein Geld» ist.

 

Auch wenn die Technologie vergleichsweise noch in den Kinderschuhen steckt (Bitcoin feierte dieses Jahr seinen 10. Geburtstag, das Automobil kann auf über 130 Jahre Geschichte zurück blicken), sollten mittlerweile ja eigentlich erste Anwendungen und Lösungsansätze sichtbar geworden sein, die sonst nicht oder nur eingeschränkt möglich wären.

 

Das erste Projekt, das hier vorgestellt werden soll, benutzt die neuen Technologien als Finanzierungsinstrument. Die FINMA bezeichnet Token, welche zur Finanzierung eines Projektes ausgegeben werden, zusammenfassend als Anlage-Token, oder Asset-Token im englischen FINMA Sprachgebrauch. Andere Regulatoren benutzen oft den Ausdruck Security-Token, wohl um bereits in der Namensgebung darauf aufmerksam zu machen, dass diese rechtlich ähnlich einzuordnen sind wie traditionelle Securities. Tatsächlich gibt es bereits verschiedene Projekte in der Schweiz, bei denen Anlage-Token in lieu von Aktien oder Partizipationsscheinen ausgegeben wurden. Doch das hier vorgestellte Projekt lässt sich nicht ganz so einfach in die klassische Betrachtung Aktie/PS oder Obligation einordnen. Tatsächlich öffnet die FINMA selbst das Spielfeld weit auf, wenn sie im Februar 2018 schreibt: «Anlage-Token repräsentieren Vermögenswerte wie Anteile an [..] Erträgen [..]. Der Token ist damit hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Funktion wie eine Aktie, Obligation oder ein derivatives Finanzinstrument zu werten.»

 

«Der Token ist damit hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Funktion wie eine Aktie, Obligation oder ein derivatives Finanzinstrument zu werten.»

 

Natürlich sind Derivate für die Leser dieser Publikation ein durchaus vertrautes Finanzinstrument. Doch für viele Jungunternehmer eröffnete sich mit dieser Formulierung eine Welt, in der sie das wirtschaftliche Gewinnpotential gezielt mit Investoren teilen können, ohne die Kontrolle über das Unternehmen aufgeben zu müssen: Nicht jeder kann so etwas gleich gut verhandeln wie Mark Zuckerberg, der mit vergleichsweise wenig Kapital die Mehrheit der Stimmrechte bei seinem Startup kontrolliert.

 

Doch zurück zu unserem ersten Projekt, welches seinen Investoren die zukünftigen Erträge als Token verkauft. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein typisches Startup, das je nach Glück und Geschick vielleicht einmal schwarze Zahlen schreibt – oder auch nicht. Beim diesem Projekt handelt es sich um eine Rinderfarm in Südamerika, die auf gut 20 Jahre erfolgreiches wirtschaften zurückblicken kann. Im Rahmen einer Nachfolgeregelung übernahm ein neues, professionelles Team die Farm und führt diese zwar nach neusten Erkenntnissen, aber doch weitgehend traditionell, weiter. Die zukünftigen Cashflows hängen zwar mit dem Preis von Rindfleisch eng zusammen, sind aber doch weitgehend berechenbar.

 

Das Projekt nennt sich La Pradera (lapradera.ch) und wird getrieben vom ehemaligen Investment Banker und CEO der Clinton Foundation für Südamerika Carlos H. Fernandez Mazzi. Für ihn ist die Tokenisierung (Verbriefung mittels Token) ein durchaus demokratischer Akt: «Für wohlhabende Investoren waren Investments in ein Projekt wie dieses schon immer möglich. Meist wurden sie in Form von Private Equity getätigt, was es aber weitgehend verunmöglichte private Kleininvestoren die gleichen Möglichkeiten zu eröffnen, ausser allenfalls über kostspielige Zwischenmänner, die teure Fonds managen.»

 

Tatsächlich ist es schwierig, wenn ein kleiner Investor sein Portfolio mit kleinen Beträgen selbst diversifizieren möchte. Bei einer der gesamten Portfoliogrösse angemessenen Diversifikation, ist ein sinnvolles Einzelinvestment vielleicht 500 Franken. Nur fressen dann die anfallenden  Bankspesen für die Führung des Portfolios bis zu 10% der Performance weg. Auch die Transaktionskosten, um das Investment überhaupt erst zu tätigen, müssen vermutlich über die Erträge von mehreren Jahren amortisiert werden. Zwar mögen die Kosten aus Bankperspektive verständlich sein, doch gibt es keinen guten Grund, warum ein Kleinsparer unter der überteuerten Kostenstruktur einer Bank leiden soll. Crypto Assets, wie das von La Pradera herausgegebene Anlage-Token, können kostenlos in einer sogenannten Wallet gehalten werden, der Investor ist quasi seine eigene Bank.

 

Lucas Betschart, Präsident der Bitcoin Association Switzerland, wird in diesem Zusammenhang nicht müde darauf hinzuweisen, dass mit der Möglichkeit sein eigener Bank CEO zu sein, auch die Verantwortung eines Bank CEO hinzu kommt. Im Zusammenhang mit Anlage-Token bedeutet dies  unter anderem, seine eigene Due Diligence durchzuführen.

 

Bei einer ganz anderen Form der Due Diligence hilft das Unternehmen 4Art-Technologies (4art-technologies.com), welches zwar auch von einem ehemaligen Investment Banker geleitet wird, doch ansonsten — ausser dem Bezug zu Blockchaintechnologie — unterschiedlicher kaum sein könnte.

 

Niko Kipouros, Gründer von 4Art-Technologies, ist seit über zwei Jahrzehnten als professioneller Kunstvermittler und leidenschaftlicher Kunstsammler aktiv und löst mit seinem Unternehmen Probleme, die fast so alt sind, wie der Kunsthandel selbst: Ist das Kunstwerk Original oder Fälschung? In welchem Zustand ist es und was wurde — beispielsweise im Rahmen einer Restauration — verändert?

 

Um solche Fragen zweifelsfrei beantworten zu können, werden vom Kunstwerk mit einem handelsüblichen Smartphone Fotoaufnahmen gemacht und diese in Form eines digitalen Fingerabdrucks gespeichert. Die vom 35-Personen starken Entwicklungsteam bei 4Art-Technologies entwickelte Technologie (insgesamt beschäftigt 4Art-Technologies über 100 Leute) ist dabei so fein kalibriert, dass selbst scheinbar identische Prints eines Gemäldes anhand der Papierstruktur immer noch eindeutig voneinander unterschieden werden können.

 

Da nicht nur sämtliche Veränderungen an einem Gemälde, sondern auch seine Herkunft und Halterwechsel unveränderbar auf der Blockchain dokumentiert sind, bekommt die Kunstszene auch Mittel an die Hand, welche den illegalen Kunsthandel deutlich erschweren dürfte und verhindert, dass Kunstliebhaber unfreiwillig Hand bieten zur Geldwäsche.

 

Genauso unwillig, Hand zur Geldwäsche zu bieten, ist trotz seines Engagements im Kryptobereich natürlich auch Facebook. Das US Unternehmen plant mit Libra eine globale Währung zu erschaffen, die bequem über soziale Netzwerke und Chatsysteme geteilt werden kann. Dabei ist nicht nur bemerkenswert, dass diese Bemühungen aus der Schweiz heraus koordiniert werden, sondern auch, dass Facebook mit seinem Vorhaben eigentlich etwas spät dran ist: So gibt es bereits verschiedene Stablecoins, also Crypto Assets, welche mit traditionellen Vermögenswerten, inklusive Bargeld in einem versicherten Tresor (XCHF), hinterlegt sind. Selbst die Idee, über soziale Netzwerke und Chatsysteme Kryptowährungen versenden zu können, wurde bereits erfolgreich von lite.im umgesetzt. Dabei unterstützt das trotz seines exotischen Namens «Zulu Republic» in Zug beheimatete Unternehmen vorerst Telegram, Facebook Messenger, Line, VKontakte, SMS und Zalo so, dass selbst systemübergreifende Transaktionen, zum Beispiel von Telegram nach VKontakte oder SMS, möglich sind. Bereits fest auf der Roadmap verankert sind WhatsApp und Viber, ersteres hat bereits in einer Testphase bewiesen, dass es auch dort nahtlos klappt.

 

Natürlich sind diese Projekte noch klein und unscheinbar im Vergleich zu den Industrien, in denen sie sich bewegen. Doch klein war im Sommer 1994 auch das Unternehmen «Cadabra», das zwei Monate nach dem offiziellen Launch pro Woche eben mal USD 20’000 Umsatz generierte. Das war für den erfolgsverwöhnten US Detailhandel kaum der Rede wert, doch nutzte das Startup hierzu das Internet — damals etwas, das die meisten Entscheidungsträger im besten Fall vom Hören-Sagen kannten. Doch der Gründer von Cadabra liess sich nicht entmutigen, hielt an seiner Strategie fest und änderte den Firmennamen, damit es in einschlägigen, alphabetisch sortierten Verzeichnissen zuoberst erschien, auf Amazon.

 

VITA

 

Roger Darin. Die Blockchain und Crypto Assets Thematik ist das ideale Betätigungsfeld für den gelernten Banker, der stets von seinem Interesse an Technologie begleitet wurde. Nebst seiner beruflichen Tätigkeit als Head of Blockchain Advisory, unterrichtet er zum Thema an verschiedenen Schweizer Schulen und Universitäten.

 

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