Vermessung der Struki-Welt
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Christian Reuss
Der börsliche Handel von Hebel- und Anlageprodukten erfreut sich weltweit einer zaghaften Renaissance. Anbieter und Börsen bleibt auf absehbare Zeit ein sehr dynamisches Wettbewerbsumfeld erhalten. Ein globales Status-Update.
Hong Kong führt, Südkorea ist Geschichte
Der ehemals zweitgrösste Markt für verbriefte Derivate der Welt – Südkorea – ist hingegen infolge drastischer Eingriffe des lokalen Regulators um über 90% eingebrochen und verharrt auf niedrigem Niveau. Ein Paradebeispiel, dass mehr Regulierung am Ende eher ökonomische Einöde für Anleger schafft statt Diversität. Die Handelsaktivität hat sich in andere Produkte bzw. ins Ausland, grösstenteils nach Hong Kong, verlagert. Die umfangreichen Investitionen vieler Banken in den koreanischen Warrantmarkt mussten vollständig abgeschrieben werden. Aktuell ringt die Börse nun um eine Rücknahme der regulatorischen Massnahmen, die Marktteilnehmern de facto verbietet, enge Spreads zu stellen. Die Einführung einer aktiven Marktsteuerung analog der Schweiz ist dabei einer der diskutierten Lösungsansätze.
Börslicher Handel en vouge
Helvetisches Line-up in Singapur
Bisher ein Zwerg in der börslichen Struki-Statistik ist Singapur. Doch der Schein trügt: Das Geschäft mit Strukturierten Anlageprodukten boomt. Am Flughafen der «Löwenstadt» reichen sich dabei insbesondere die Schweizer Anbieter von Strukturierten Produkten regelrecht die Hand. Im Gegensatz zu Hong Kong werden in Singapur Hebelprodukte wahrscheinlich auch weiterhin ein Schattendasein fristen – das Anbieten eines Onlinehandels von Warrants ist für die meisten Banken und Broker verboten. Dafür sind bei den Anlageprodukten die lokal offerierten Strukturen im Vergleich zum Schweizer Markt deutlich risikofreudiger konzipiert. Auch unterschiedlich ist die Haltung gegenüber Automatisierung technischer Prozesse – im Vergleich zum Erhalt von Arbeitsplätzen können möglichen Ersparnisse schonmal eher im Hintergrund zu stehen.
Neue Börsenkonstellation in Europa
Augenfälligste Neuerung im europäischen Markt für Strukturierte Produkte ist die Auflösung des Joint Ventures Scoach zwischen der Deutschen Börse und SIX zur Jahresmitte. Neu sind die Börse Frankfurt Zertifikate AG und die SIX Structured Products Exchange AG separat in den Statistiken vertreten. Keinen Abbruch hat die Trennung hingegen dem Produktewachstum in Deutschland getan: Hier sind mittlerweile nachhaltig über 1,000,000 Produkte an den Börsen zugelassen. Erfreulich ist, dass der Markt in Italien – die Borsa Italiana ist inzwischen Teil der London Stock Exchange Gruppe – in den letzten 2 Jahren um knapp 50% gewachsen ist.
Strukturelle Veränderungen zu Hause
Der Schweizer Markt erfährt derzeit eine Vielzahl an strukturellen Veränderungen und Impulsen: Im Bereich der Meta-Plattformen scheint sich «deritrade» von der Bank Vontobel mehr und mehr zu öffnen. So werden bereits heute die Optionskomponenten diverser Anbieter aktiv in Vontobelprodukte eingebaut und neben diesem Emittenten nutzen inzwischen auch die Société Générale, Morgan Stanley, Deutsche Bank und jüngst auch die UBS «deritrade» als Vertriebskanal. Im Lager der unabhängigen Start-Ups sind StructuringLab und Xicor bereits ausgeschieden. Einzig derivative.com konnte sich als unabhängige Best-Execution-Plattform etablieren. Spekulative Zukunftsmusik ist ein Spin-Off von «deritrade» in Form eines IPO. So mancher ärgert sich noch heute, keine Aktien von EFG Financial Products (bzw. heute als Leonteq firmierend) gekauft zu haben.
SIX refokussiert die Schweiz
Einen verstärken Fokus auf den Heimatmarkt hat künftig die Schweizer Börse, die sich wie bereits erwähnt Mitte des Jahres aus der Kooperation mit der Deutschen Börse verabschiedete. Statt europäischer Expansion steht nunmehr im Fokus, die Effizienzgewinne innerhalb der Swiss Value Chain dem Markt durch Preissenkungen und Prozessoptimierungen weiterzugeben. Eines der Hauptanliegen der SIX Structured Products – aber auch der Schweizer Börse generell – ist maximale Transparenz beim Handel von Finanzprodukten. Und hier bahnen sich diverse Neuerungen an: Neue Vertriebsregeln (FIDLEG) und Infrastrukturvorgaben (FinfraG) sind im Findungsprozess. Dabei sollte gerade bei letzterem die Äquivalenz mit ausländischen Standards und damit die Sicherung des Zugangs zu den relevanten ausländischen Märkten im Vordergrund stehen. Dass es mit dem Schweizer Markt dann wieder steil aufwärtsgehen kann, zeigen die in der Schweiz in Strukturierte Produkte investierten Volumina. Diese sind gegen Ende 2013 wieder in Richtung CHF 200 Mrd. angestiegen.