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Volatilität: Das Salz in der Suppe

11.12.2024 5 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Die implizite Volatilität ist ein zentraler Parameter für die Konditionen von Strukturieren Produkten. Darüber hinaus lässt sich mit ihrer Hilfe die an den Börsen vorherrschende Gefühlslage einschätzen. Auf den ersten Blick herrscht gerade viel Gelassenheit. Allerdings gibt es Anzeichen für mehr Stress im neuen Jahr.

Professionelle Analyse und geschicktes Timing sind für den Börsenerfolg unabdingbar. Doch hängt die Rendite nicht nur von der reinen Kalkulation und der Erfahrung ab. Gefühle und Wahrnehmungen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Unter dem Schlagwort «Behavioral Finance» setzt sich ein eigenes Forschungsfeld mit dem Einfluss der Psychologie auf den Börsenerfolg auseinander. So komplex diese Materie ist – anders als im echten Leben gibt es an den Kapitalmärkten eine Kennzahl, die auf einen Blick verrät, wie es um die Gemütslage der Anleger bestellt ist: Gemeint ist die Volatilität. Sie steht für den Umfang der Preisveränderungen eines Assets über einen bestimmten Zeitraum. Massgeblich sind die Schwankungen gegenüber einem Mittelwert. 

Historisch und implizit

Es gibt zwei Arten der Volatilität. Auf der einen Seite stehen die realisierten oder historischen Kursschwankungen. Diese lassen sich aus dem Marktbewegungen der Vergangenheit berechnen. Beispielsweise zeigte der SMI per Ende November 2024 eine jährliche historische Volatilität von 9%. Innerhalb des Schweizer Leitindex ging die Intensität der Ausschläge deutlich auseinander. An der Spitze stand mit einer historischen 12-Monats-Vola von 24.4% Lonza. Dagegen lag die Kennziffer für Swisscom nur bei gut einem Zehntel. Die Anteilseigner des Telekomkonzerns haben relativ betrachtet also ruhigere Zeiten erlebt als die Aktionäre des Life Science-Spezialisten. Die historische Vola sagt nichts über die absolute Performance aus – hier lag Lonza mit einem Plus von 57% im Betrachtungszeitraum deutlich vor der stagnierenden Swisscom. Kaum eine Relevanz hat die vergangene Entwicklung zudem für die Zukunftsaussichten. 

Das ist bei der impliziten Volatilität anders. Sie drückt die an den Märkten für einen bestimmten Zeitraum erwarteten Kursschwankungsbreiten aus. Ihre Berechnung erfolgt auf Basis von Optionspreismodellen. An dieser Stelle kommt der Markt für Strukturierte Produkte ins Spiel. Die implizite Volatilität ist in diesem Geschäft eine Art «Salz in der Suppe». Da Strukturierte Produkte prinzipiell aus einer oder mehreren Optionen bestehen, zählt die implizite Volatilität zu den wichtigsten Einflussfaktoren auf die Preise respektive das Chance-Risiko-Profil der verschiedenen Anlagevehikel. 

Unterschiedliche Vorstellungen

Mit am deutlichsten kommt der Einfluss der Volatilität bei den Warrants zum Ausdruck. Wie bei einer klassischen Option preisen die Emittenten hier ihre Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Kursschwankungen des Basiswertes ein. Ein Blick auf die Konditionen zeigt, dass sich die Vorstellungen der jeweils zuständigen Händler durchaus unterscheiden. Wir haben Call-Warrants auf Nestlé unter die Lupe genommen. Mit einem Strike bei CHF 80.00 notieren die analysierten Papiere am Geld. Die Laufzeit endet jeweils am 20. Juni 2025. Aus der Tabelle wird ersichtlich, wie die von den Emittenten eingepreiste Volatilität variiert. Entsprechend weichen die Briefkurse der Warrants voneinander ab. 

Naturgemäss sind Optionen und Warrants dann besonders teuer, wenn die Hektik an den Märkten gross ist. Da sich die zukünftige Entwicklung in einem solchen Umfeld relativ schwer einschätzen lässt, preisen die Händler entsprechend üppigere Kursschwankungen ein – gleiches gilt umgekehrt. Just wegen dieses Wechselspiels gibt die implizite Volatilität Einblick in das kollektive Seelenleben der Investoren. Dank der sogenannten Volatilitätsindizes lässt sich der Grad der Nervosität für bestimmte Märkte abschätzen. Ein weltweit beachtetes «Angstbarometer» ist der Cboe VIX. In diese Benchmark fliessen die impliziten Volatilitäten der im S&P 500 enthaltenen Aktien ein. Auf den ersten Blick herrscht an der Wall Street kurz vor dem Machtwechsel im Weis-sen Haus eine relative Gelassenheit. Anfang Dezember stand der VIX bei 13.5% und damit deutlich unter dem 10-jährigen Mittelwert von rund 18%.

Latente Nervosität

Gleichwohl liess sich an der New Yorker Börse eine gewisse Unruhe feststellen. Der Cboe SKEW Index beendete den US-Wahlmonat auf dem höchsten Niveau seit Mitte 2021. Auch diese Benchmark basiert auf der in Optionen eingepreisten Volatilität. Doch während der VIX mit Kontrakten arbeitet, die am Geld notieren, greift der Skew Index zu Optionen, die aus dem Geld liegen. Mit ihrer Hilfe möchte der Cboe SKEW Index die Wahrscheinlichkeit von extremen Kursbewegungen innerhalb von 30 Tagen anzeigen. Experten zufolge bedeutet der jüngste Anstieg nicht, dass die Börsianer einen Ausverkauf erwarten. Vielmehr kommt darin eine erhöhte Vorsicht mit Blick auf 2025 zum Ausdruck. 

Maxwell Grinacoff, Spezialist für Aktienderivate bei der UBS, sieht in den von Donald Trump angekündigten Zöllen ein Risiko. «Sie geben den Leuten wieder einen Grund, sich abzusichern», sagte er gegenüber Reuters. Gleichzeitig zog Grinacoff Parallelen zum Jahr 2018. Damals starteten die Börsen mit neuen Höchstständen ins Jahr. Dann drückten die Handelskonflikte auf die Wachstumserwartungen und die Kurse gerieten unter Druck. Folgerichtig stieg die Volatilität über alle Anlageklassen hinweg an. Es wird sich zeigen, ob das neue Jahr eine Duplizität der Ereignisse bringt. Wer damit rechnet, kann sein Aktienportfolio mit Put-Warrants absichern. Da die eingepreiste Volatilität derzeit relativ tief ist, sind diese Vehikel vergleichsweise günstig.

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