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payoff Interviews

Von Öl bis Gold: Wie globale Faktoren die Rohstoffmärkte beeinflussen

09.10.2024 6 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Die Rohstoffmärkte haben nach einem schwachen Sommer wieder Fahrt aufgenommen. Welche Rolle spielen Zinssenkungen und geopolitische Faktoren bei der jüngsten Erholung?

Das stimmt. Wenn man noch etwas weiter rauszoomt, haben sich breite Rohstoffindices, wie bspw. der CMCI, seit dem Beginn des Ukraine Krieges im Februar 2022 mehrheitlich seitwärts bewegt. Was wir zurzeit sehen, ist eine weitere Aufwärtsbewegung in der Konsolidierungsrange. Und die Frage, die sich nun natürlich stellt ist, ob Rohstoffe allgemein in einen neuen Aufwärtstrend übergehen werden. 

Bis Ende September haben die Zentralbanken weltweit die Zinsen bereits über 20-mal gesenkt und das globale Geldmengenwachstum nimmt deutlich zu. Dies alles bei einer weiterhin ziemlich stabilen Weltwirtschaft. All dies zusammen wirkt stimulierend für die Wirtschaft und damit für die Nachfrage von Rohstoffen. Auch geopolitische Faktoren, wie die jüngste Eskalation im Nahen Osten, wirken vor allem preistreibend für Rohöl, das eine hohes Gewicht in Rohstoffindizes einnimmt.

Der Ölmarkt bleibt stark von der Politik der OPEC+ abhängig. Wie bewerten Sie die Entscheidung der OPEC+, die Förderkürzungen bis Ende des Jahres beizubehalten, und welche Auswirkungen könnte dies auf den Ölpreis im Jahr 2025 haben?

Kartelle werden stark von spieltheoretischen Überlegungen dominiert. Zum einen profitieren alle Mitglieder als Gruppe, wenn sie sich an die vereinbarten Kürzungen halten. Für das jeweilige Mitglied besteht jedoch auch immer ein Anreiz, doch mehr zu fördern, um für sich einen Vorteil herauszuholen. Ehrlichkeit und Disziplin aller Mitglieder sind also entscheidend. Und daran hat es in der Vergangenheit oft gemangelt.

Ob sie sich diesmal an die Vereinbarungen halten, hängt sehr von der Preisentwicklung und diese wird neben dem Kartell v. a. durch die weltwirtschaftliche Entwicklung bestimmt. Falls sich der Ölpreis für WTI deutlich über der Marke von USD 65 stabilisiert, steigt auch die Disziplin der Mitglieder. Sollte sich der Ölpreis jedoch weiter abschwächen, steigt die Versuchung für das einzelne Mitglied gegen die Förderquoten zu verstossen. Die OPEC+ wird stark von Saudi Arabien dominiert, welches über die tiefsten Förderkosten verfügt. Im Szenario eines Preisverfalls und dem damit einhergehenden Zusammenbruch des Kartells könnten sich die Saudis dazu entschliessen, den Markt mit ihrem Öl zu fluten, um damit andere Wettbewerber mit höheren Förderkosten aus dem Markt zu drängen. Wie Sie sehen, ist der Ölmarkt wohl der am meisten manipulierte und politisierte Markt überhaupt, was Prognosen hinsichtlich der Preisentwicklung noch schwieriger macht, als dies ohnehin der Fall ist.

Sehen Sie eine Verschiebung der globalen Nachfrage nach Öl durch das Wirtschaftswachstum in aufstrebenden Märkten wie Indien oder durch eine mögliche Rezession in den Industrieländern?

Die anteilmässige Verschiebung der Nachfrage hin zu aufstrebenden Märkten wie Indien und weg von den Industrieländern ist eine Tatsache und kein neues Phänomen. Es handelt sich vor allem um einen langfristigen Trend, da einerseits das Bevölkerungswachstum positiv und der Lebensstandard vergleichsweise niedriger ist und andererseits die Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten stark zurückgehen wird und vermeintlich noch genügend Wohlstand für eine Dekarbonisierung der Wirtschaft vorhanden sein dürfte. Demgegenüber führen Rezessionen in einzelnen Regionen oder Ländern – sofern sie nicht global auftreten – nur zu einer vorübergehenden Verschiebung der Nachfrage.

China hat Konjunkturmassnahmen ergriffen, um die chinesische Wirtschaft zu stimulieren. Wie schätzen Sie die Auswirkungen dieser Massnahmen auf Industriemetalle wie Kupfer ein, und wie nachhaltig könnte dieser Nachfrageanstieg sein?

Die Konjunkturmassnahmen haben sich natürlich direkt stark auf die Preise vor allem von Basismetallen wie bspw. Kupfer ausgewirkt. Ob sich die Massnahmen jedoch nachhaltig positiv auf die Nachfrage auswirken, bezweifle ich jedoch. China befindet sich erst im direkten Nachgang des Platzens der wohl grössten Immobilienblase der Geschichte. Viele Unternehmen und Lokalregierungen sind überschuldet und die Privathaushalte, die ihre Ersparnisse hauptsächlich im Immobiliensektor angelegt haben, leiden unter den sinkenden Preisen. China ist mit einer klassischen Bilanzrezession konfrontiert und die Überwindung dieser wird wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Aufgrund der gestiegenen Preise ist die Nachfrage nach Gold aus der Schmuckindustrie zurückgegangen. Glauben Sie, dass diese Preiskorrektur den Goldmarkt kurzfristig beeinflussen wird? Oder sehen Sie weiterhin ein starkes Interesse von Investoren und Zentralbanken?

Ich glaube, dass die Nachfrage aus der Schmuckindustrie für den Goldpreis insgesamt nicht relevant ist. Der historische Haupttreiber bleiben die Realzinsen und das neuere Phänomen der Zentralbankkäufe aufgrund von De-Dollarisierungsbestrebungen der BRICS-Staaten. Die Nachfrage von Privatinvestoren beginnt erst langsam an zu drehen. Die Portfolios von grossen Banken und Family Offices weltweit sind immer noch sehr stark unterinvestiert.

Wie wirken sich Zinssenkungen und ein schwacher US-Dollar auf den Goldpreis aus?

Beides wirkt sich ceteris paribus positiv auf den Goldpreis aus. Was die USA betrifft, befinden wir uns erst am Anfang eines möglicherweise länger andauernden Zinssenkungszyklus. Der Goldpreis dürfte aufgrund dessen weiter nach oben zeigen.

Wie wichtig bleibt Gold als Bestandteil eines diversifizierten Portfolios in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und steigender geopolitischer Risiken?

Wenn zu den oben beschriebenen Faktoren wie der De-Dollarisierung und dem sinkenden Zinsumfeld auch noch geopolitische Risiken hinzukommen, dann ist und bleibt Gold zentraler Bestandteil eines jeden gut diversifizierten Portfolios. Dies umso mehr, da langfristig gesehen der klassische Risikohedge über Staatsanleihen aufgrund der immer weiter zunehmenden Verschuldung an Bedeutung verliert.

Was müsste geschehen, damit Ihre Meinung nicht Wirklichkeit wird?

Im Grunde müssten sich alle genannten Faktoren in ihr Gegenteil umkehren. Dies scheint heute nicht der Fall zu sein.

Vielen Dank!

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Christian Freihofer
Partner bei Prospera-Invest Vermögensverwaltung AG

Christian Freihofer ist seit dem Jahr 2017 als selbständiger Vermögensverwalter tätig und ist Partner und Verwaltungsrat der Prospera-Invest Vermögensverwaltung AG. In seiner Funktion als Chief Investment Officer (CIO) ist er für die Verwaltung von Kundenportfolien verantwortlich und leitet gleichzeitig ein eigenes Family Office.

Christian verfügt über eine mehr als 15-jährige Finanzmarkterfahrung als Privatanleger, Trader und Angestellter in der Finanzindustrie. Nachdem er erfolgreich ein Start-up mitgegründet hatte, war er zuletzt bei der Vermögensverwaltungsgesellschaft BlackRock im Bereich ETF und Indexinvestments für die Betreuung von Schweizer Banken verantwortlich. Christian verfügt über einen Master-Abschluss in Accounting and Finance der Universität St. Gallen und hat den Titel eines Chartered Financial Analyst (CFA).

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