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payoff Blockchain Report

Was Anleger über Ethereum-ETFs unbedingt wissen sollten

18.06.2024 7 Min.
  • Pascal Hügli
    Redaktor

Die Wall Street hat erneut zugeschlagen. Vor wenigen Tagen hat sie von der US-Börsenaufsicht grünes Licht für das nächste Krypto-Produkt erhalten: die Ethereum-ETFs. Damit sind nach den Bitcoin-ETFs nun auch ETFs auf das zweitgrösste Krypto-Asset in den USA genehmigt. Trotz der anfänglich positiven Preisreaktion konnte der Ether-Preis die Marke von USD 4’000 noch nicht durchbrechen. Warum nicht?

Einige Marktteilnehmer argumentieren, dass die bisher verhaltene Preisentwicklung da-
rauf zurückzuführen sein könnte, dass die Ethereum-ETFs zwar genehmigt, aber noch nicht handelbar sind. Die sogenannten 19b-4-Anträge, welche die Kotierung der ETFs an Börsen er-
lauben, wurden zwar bewilligt, nicht aber die S-1-Formulare. Bei diesen handelt es sich um die eigentlichen Registrierungsdokumente, welche detailliert beschreiben, wie der Fonds von den jeweiligen Emittenten verwaltet wird. Bis die US-Wertpapieraufsicht diese Dokumente freigibt, könnte es noch einige Wochen oder sogar Monate dauern. Bei Bitcoin wurden alle relevanten Anträge mehr oder weniger gleichzeitig bewilligt und der Handel konnte zeitnah starten.

Politisch motiviert? 

Weshalb wurden die Ethereum-ETFs nun scheinbar über Nacht genehmigt, nachdem der Markt in den vergangenen Wochen eigentlich nicht mehr damit gerechnet hatte? Einige vermuten, dass der Erfolg der Bitcoin-ETFs BlackRock und Co. dazu bewogen haben könnte, die Ethereum-ETFs bei der US-Börsenaufsicht ebenfalls durchzuboxen. Andere glauben, dass der Druck aus einer anderen Ecke kam – und zwar aus der politischen. Erst kürzlich hat der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump Krypto nämlich als hervorragendes Mittel zum Stimmenfang unter den sogenannten Swing-State-Wählern entdeckt. Die Spekulationen gehen dahin, dass sich die Demokraten rund um Biden in der Folge gezwungen sahen, nachzuziehen. Eine parteiübergreifende Gruppe von US-Abgeordneten hat denn auch kürzlich einen Brief an den SEC-Vorsitzenden Gary Gensler gesendet, in dem man die SEC aufgefordert hat, die Ethereum-ETFs zuzulassen.

Staking nicht erlaubt

Der US-Regulator hat die Ethereum-ETFs nicht einfach so genehmigt. Eine entscheidende Änderung mussten die ETF-Antragsteller umsetzen: Sie wurden gebeten, ihre Staking-Absichten zu überdenken. Wie aus den ursprünglichen Antragsschreiben eines ETF-Antragstellers hervorging, war das Staking der über die ETFs erworbenen Ether im Interesse des Kunden vorgesehen. Innerhalb weniger Tage nach diesem Hinweis war die Staking-Komponente auf Verlangen der US-Börsenaufsicht denn auch aus den jeweiligen Anträgen gestrichen. Aus Sicht des Regulators war dieser Schritt somit eine notwendige Voraussetzung für die Genehmigung der ETF-Produkte. Dieser Entscheid hat weitreichende Folgen, die man als Anleger kennen sollte.

Der springende Punkt ist: Die Ethereum-ETFs, wie sie jetzt genehmigt wurden, haben eigentlich einen Schönheitsfehler: Die von den ETFs gehaltenen Ether werden nicht gestakt. Das bedeutet, dass die Halter eines Ethereum-ETFs die sogenannten Staking-Rewards nicht erhalten. Diese Belohnungen, die je nach Anbieter aktuell etwa 3% betragen, gehen stattdessen vollständig an diejenigen, die ihre ETH direkt oder über Staking-Dienstleister wie Lido oder Rocket Pool staken. Dadurch, dass ein Investor eines Ethereum-ETFs keine Staking-Rewards erhält, wirkt sich das auf ihn wie eine Art versteckte Gebühr aus, die zusätzlich zu den eigentlichen Verwaltungsgebühren anfällt. Dieser versteckte Werttransfer von den Inhabern der Ethereum-ETFs zu den Ethereum Stakern findet aber auch deshalb statt, weil erstere verwässert werden. Um zu verstehen, warum dies geschieht, muss man wissen, woher die Staking-Rewards bei Ethereum stammen.

Zur Herkunft der Staking-Rewards

Die Staking Rewards bei Ethereum setzen sich grundsätzlich aus drei verschiedenen Komponenten zusammen:

  1. Emission neuer Ether pro Block
    Je mehr Staker (auch Validatoren genannt) im Netzwerk aktiv sind, desto weniger Ether werden pro Block emittiert.
  2. Transaktionsgebühren
    Gebühren, die über die sogenannte Base Fee hinausgehen, werden als «Trinkgeld» (Tips) an die Staker ausgezahlt. Diese Gebühr wurde mit dem Ethereum Improvement Proposal 1559 (EIP-1559) eingeführt und bestimmt den Anteil der Transaktionsgebühren, der bei Ethereum «verbrannt» wird.
  3. MEV (Maximum Extractable Value)
    Dies ist ein zusätzlicher Gewinn, der den Stakern durch die Auswahl und Reihenfolge der Transaktionen in einem Block zufällt.

Wichtig zu verstehen ist: Punkt 1 fällt auf der sogenannten Consensus Layer von Ethereum an, während die Punkte 2 und 3 die Execution Layer betreffen. Dies ist insofern entscheidend, als dass über die Consensus Layer die eigentliche Emission neuer Ether stattfindet. Der Anteil der Transaktionsgebühren und MEV als Komponenten der Staking-Rewards hängt von der Marktnachfrage nach Ethereum ab, während sich die Neuemission von Ether nach der Anzahl gestakter Ether im Netzwerk richtet.Übersetzt heisst das: Je höher die Staking-Rate – also je mehr Ether-Halter ihre Ether staken – desto höher ist auch die Neuemission. Mit steigender Staking-Rate nimmt somit die reale Rendite ab und tendiert bei einer Staking-Rate von 100% gegen null. Obwohl die Belohnung nominal weiterhin anfällt, steigt das Gesamtangebot aller Ether im gleichen Ausmass, was die realen Gewinne für Staker zunichtemacht. Je mehr Leute staken und je höher die Neuemission, desto weniger Sinn macht es, nicht zu staken, da man sonst immer stärker verwässert wird.

Eine Erhöhung der Staking-Rate von derzeit 28% auf beispielsweise 54% würde zu einer relativen täglichen Emissionserhöhung von derzeit 2’500 ETH auf 3’500 ETH führen, also um 40%. Absolut gesehen wird mehr ausgegeben, aber die Staking-Rewards-Rate wird kleiner (um 60%).

Fee-Burn als Gegenstück zur Neuemission

Um der Verwässerung der nicht stakenden Ether-Halter entgegenzuwirken, kennt Ethereum den bereits erwähnten «Fee Burn». Je höher die Aktivität im Ethereum-Netzwerk, desto höher die Transaktionsgebühren, wodurch ein grösserer Anteil davon verbrannt wird. Dieser Mechanismus lässt sich mit einem traditionellen «Aktienrückkaufprogramm» vergleichen, das dafür sorgt, dass sich das Angebot ausstehender Aktien verkleinert. Ähnlich verringert der «Fee Burn» das Angebot zirkulierender Ether und wirkt somit der Emission neuer Ether entgegen.

Bei der aktuellen Staking-Rate von 28% werden täglich etwa 2’500 Ether neu geschaffen. Um diese Neuemission zu kompensieren, benötigt das Ethereum-Netzwerk einen durchschnittlichen Gaspreis von 25 Gwei. Da dieser Preis über die vergangenen 30 Tage aufgrund der geringeren Nachfrage nach Ethereum-Transaktionen jedoch nur bei durchschnittlich 7 Gwei lag, werden derzeit nur 700 Ether pro Tag verbrannt. Es bleibt somit eine positive Emission von 1’800 Ether pro Tag.

Ethereums Zweiklassengesellschaft

Mit den Ethereum-ETF, wie sie heute aufgrund des SEC-Entscheids funktionieren werden, droht sich die Ether-Halterschaft noch stärker in eine Zweiklassengesellschaft aufzuteilen: Jene Anleger, die staken und auf dem Rücken jener Investoren profitieren, die ihre Ether eben nicht gestakt haben.

Natürlich gibt es bereits heute Ethereum-basierte Finanzprodukte wie ETPs, bei denen die Vermögenswerte gestakt sind und die Halter davon profitieren. Es ist daher anzunehmen, dass der Druck auf den Regulator in den USA zunehmen wird, damit die ETFs in Zukunft ebenfalls auf das Staking setzen. Alles andere wäre einem vernünftigen Anleger eigentlich nicht zuzumuten.

Respekt vor Zentralisierung

Wenn die US-ETFs irgendwann die Erlaubnis zum Staking erhalten würden, könnte die Staking-Rate sprunghaft ansteigen. Das wäre für den ETF-Investor vorteilhaft, aber es könnte potenziell negative Folgen für Ethereum als Ganzes haben. 

Eine steigende Staking-Rate macht die Nutzung von Ether als Transaktionswährung unattraktiver. Denn Nutzer, die Transaktionen durchführen, können ihre Ether kaum staken, da sie sonst nicht frei für Transaktionen wären. Diese Nutzer könnten dann unter dem erhöhten Inflationsdruck «leiden». Ein Gegenargument ist jedoch, dass dieser Inflationsdruck wenig ins Gewicht fällt, da die Ether von dieser Nutzergruppe nicht gehalten, sondern ausgegeben werden.

Eine wachsende Staking-Rate, die möglicherweise auch von überarbeiteten Ethereum-ETFs mit Staking vorangetrieben wird, birgt auch eine andere Gefahr: die Zentralisierung des Netzwerks. Bereits heute halten einige dominante Staking-Anbieter grosse Anteile am Netzwerk, was ihnen die Möglichkeit zur Einflussnahme gibt. Mit Lido besitzt der grösste Staking-Akteur derzeit ungefähr 29% aller gestakten Ether. Was passiert, wenn BlackRock und Co. irgendwann riesige Mengen an Ether besitzen, diese staken und somit übermässig grossen Einfluss gewinnen?

Die Hoffnung in der Ethereum-Community ist, dass die Marktanreize eine solche Gefahr letztendlich abwenden. Es wird darüber spekuliert, dass, wenn mehr Menschen ihre Ether staken, die Staking-Rewards weniger attraktiv werden, was wiederum die Anreize für das Staking verringert und den Markt schliesslich ein Gleichgewicht finden lässt. Ist das nicht der Fall, kann immer noch eine Staking-Obergrenze eingeführt werden, wie derzeit diskutiert wird.

Noch scheint dieses Problem nicht akut zu sein. Indem bei den Ethereum-ETFs vorerst auf das Staking verzichtet wird, tragen sie wahrscheinlich vorläufig zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen gestakten und nicht-gestakten Ether bei.

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