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payoff Interviews

Wert und damit auch die Vorstellung einer realen Wertgrundlage ist stets subjektiv begründet.

04.03.2021 7 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Pascal Hügli, Chief Research beim Vermögensverwalter Schlossberg&Co., zu den Stärken und Schwächen von Bitcoin und warum das neue «Gold» in jedes Depot gehört.

Herr Hügli, wie erklären Sie jemanden mit einfachen Worten, um was es sich bei Bitcoin handelt?
Es handelt sich um den Versuch, eine neue Grundinfrastruktur für ein alternatives, globales Finanzsystem zu bauen. Als solches ist Bitcoin Basisgeld- und Zahlungs-system zugleich, das als mehrschichtiges Internet-Protokoll funktioniert. Schreiben die Medien heute gemeinhin über Bitcoin, wird dabei meistens «bloss» dessen grund- legendes Abwicklungssystem beschrieben, das mit dem Zentralbanken-TARGET-System zu vergleichen ist. Als Internet des Geldes ist Bitcoin allerdings multifunktional. Dinge wie Visa und andere Zahlungsnetzwerke, sind eben erst im Aufbau.

Was erachten Sie als die wichtigsten Stärken von Bitcoin?
Bitcoin ist letztlich Programmcode und somit inhärent vertrauensminimierend. Gewiss setzt Bitcoin auch Vertrauen voraus und zwar in seinem zugrunde liegenden Protokoll-Code. Aufgrund der Dezentralität ist der Spielraum für politische Einflussnahme auf die Geldpolitik Bitcoins sowie Zensur von Transaktionen allerdings stark eingeschränkt. Diese Reduzierung von menschlichem Einfluss und institutionalisierter Willkür halte ich für Bitcoins Alleinstellungsmerkmal. Dieses steht in starkem Kontrast zur Geldpolitik innerhalb der traditionellen Welt.

Wo sehen derzeit die grössten Schwächen von Bitcoin?
Die Komplexität von Bitcoin ist enorm. Das schafft nicht bloss ein Restrisiko aus technologischer Sicht, sondern macht auch die Akzeptanz überaus schwierig. Dazu kommt, dass sich bei Bitcoin aufgrund seiner Dezentralität eine Skalierung ungemein schwieriger gestaltet. Transaktionsdurchsatz und -geschwindigkeit müssen gesteigert werden, ohne dabei die Dezentralität arg einzuschränken. Das ist eine immerwährende Herausforderung, diekontinuierlicher Lösungen bedarf. Dass Bitcoin heute gleichwohl derart populär ist, obschon «er» für gewisse Anwendungs- fälle technologisch überhaupt noch nicht so weit ist, werte ich eher als Weckruf für das traditionelle Finanzsystem. Kapi- talverkehrskontrollen, Anlagenotstand, Negativzinsen oder Überregulierung veranlassen geradezu dazu, in die Bitcoin-Welt abzuwandern.

Was entgegnen Sie Kritikern von Bitcoin und anderen Kryptoanlagen, die sagen, dass es sich bei ihnen um eine virtuelle, digitale Sache handelt, die überhaupt nicht greif- oder fassbar ist, und daher einer realen Wertgrundlage entbehren oder, anders ausgedrückt, während im Schweizer Franken «Schweiz» steckt, steckt hinter Bitcoin: nichts?
Wert und damit auch die Vorstellung einer realen Wertgrundlage ist stets subjektiv begründet. Wert liegt nun einmal im Auge des Betrachters. Dass der Schweizer Franken einen Wert hat, speist sich somit aus der Tatsache, wonach genügend Menschen dessen rechtlich-institutionell-politischen Unterbau von Wirtschaft, Staat und Nationalbank für funktional halten. Im Falle von Bitcoin ist dieser Unterbau durch eine weltweite Internet-Community gegeben, deren Institutionen durch ein krypto-ökonomisches Netzwerk aufrechterhalten werden. Ein globaler Netzwerk-Staat eben, der von mehr und mehr Menschen als reale Wertgrundlage betrachtet wird.

Unsere Wirtschaft hängt immer mehr am Tropf der Notenbanken, die mit ihrer Geldschöpfung das Ganze am Laufen halten. Kann nach Ihrer Meinung die Blockchain-Technologie, auf der die Kryptoanlagen basieren, eine Lösung der gegenwärtigen Misere sein, in der die Welt steckt?
In der Tat. Wenn ich auch kein Verteufler der gegenwärtigen Finanzordnung bin, so beunruhigen mich die immer offensichtlicher werdenden wirtschaftlichen, aber auch sozialen und kulturellen Auswirkungen unserer beispiellos expansiven Geldschöpfung. Das von mir angedeutete neue Finanzsystem rund um Bitcoin bietet nicht nur Zuflucht vor dem anhaltenden Geldtsunami, sondern hat das Potenzial, eine offenere, prüffähigere und transparentere Finanzwelt zu schaffen. Bei Schlossberg & Co haben wir Bitcoin schon seit 2013 als festen Bestandteil in unser einzigartiges Offering gebaut, welches unseren Kunden erlaubt von der Politik des billigen Geldes zu profitieren.

Bitcoin wird seit dem Spätsommer 2020 zunehmend von Unternehmen (Microstrategy, …) und institutionellen Anlegern entdeckt. Was hat zu dieser Verbreitung der Nachfrage geführt?
In vielerlei Fällen ist es auch hier die Erkenntnis, die eigenen Unternehmensreserven nicht länger in einer stetig inflationierenden Fiatwährung zu halten. In unsicheren Zeiten wie den unsrigen scheinen verschiedene Unternehmen die Realität eines möglichen Bitcoin-Standard, unter dem Bitcoin zu einem global anerkannten Reserveasset ist, nicht mehr für völlig verrückt zu halten. Während Bitcoin als Inflationsschutz gesehen wird, rührt die Faszination allerdings auch von der gewaltigen Brain-Power hinter Bitcoin her und dessen enormen Innovationspotenzials. Bitcoin ist letztlich eine asymmetrische Wette auf eine bessere Zukunft.

Können Verbote, wie sie aktuell Indien ins Auge fasst, oder die Einführung digitaler Währungen die Entwicklung von Bitcoin und anderen Kryptoanlagen nachhaltig bremsen oder obsolet werden lassen?
Wohl kaum. Bitcoins Eigenschaften lassen sich nicht ohne Weiteres kopieren. Verbote dürften die Akzeptanz kurzfristig hemmen, mittel- bis langfristig wohl aber eher befeuern. Wer verbietet, signalisiert Ohnmacht. Das fördert Vertrauensverlust und treibt die Menschen nach und nach in die Alternativen. Verbote sind auch kaum praktikabel. Aufgrund seiner Dezentralität funktioniert Bitcoin wie ein Seestern. Wird ein Arm abgetrennt, wächst bereits der nächste nach.

Welchen Weg sollten interessierte Personen wählen, die Bitcoin als Bestandteil ihrer Geldtransaktionen und/oder ihres Finanzvermögens nützen wollen?
Um ein Verständnis der Materie kommt man nicht umhin. Erst dann erkennt man nämlich auch die Vorzüge von Bitcoin, worauf die Neugier und das Interesse stetig wie von allein wachsen werden – so viel kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen (lacht). Am sinnvollsten ist es aber wohl, wenn man sich als Neuling an einen vertrauenswürdigen Kryptofinanzdienstleister wendet und über diesen erste Kryptoanlagen tätigt.

Welche Anlageformen in Blockchain und Kryptoanlagen sind Ihre drei persönlichen Favoriten?
Für mich zählt klar Bitcoin zum Favoriten. Wie hoffentlich augenscheinlich geworden ist, sehe ich darin ein riesiges Finanzsystem 2.0, das etliche Funktionalitäten bieten wird. Aufgrund seiner digitalen Knappheit sehe ich das Krypto-Assets als ideales Reserve-Asset für diese neue Welt, weshalb es mir aus Investitionsüberlegungen am meisten einleuchtet. Andere Dinge, allen voran Ethereum und der DeFi-Bereich, sind äusserst spannend. Aus Investitionsperspektive erscheint mir dieser Teil allerdings noch wesentlich risikoreicher.

In welcher Preisspanne (min/max) wird sich Bitcoin im Jahr 2021 entwickeln?
Bedauerlicherweise habe auch ich keine Glaskugel. So scheint mir die Welt viel zu komplex, als dass ich konkrete Preis- ziele abgeben könnte. Die Neugier, das Interesse, die Nachfrage – allesamt sind sie derzeit ungebrochen. Es ist also davon auszugehen, dass der Preis von Bitcoin Ende Jahr um einiges höher sein dürfte als heute. Mit Schlossberg & Co schalten wir Emotionen aufgrund gut trainierter Algorithmen ohnehin aus. Unsere Kunden profitieren, wenn die Kurse weiter ansteigen, jedoch haben wir auch Mechanismen eingebaut, welche Schutz bieten, wenn sich die Sachlage ändern sollte und die Kurse in die andere Richtung gehen.

Vielen Dank!

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Pascal Hügli ist Chief Research für den Vermögensverwalter Schlossberg & Co. In seiner Funktion studiert er die Finanzmärkte, um dann mit seinem Team möglichst genau ermitteln zu können, wie es Kunden und Anleger vor der beispiellosen Geldschwemme unserer Zeit zu schützen gilt. Nebenbei engagiert er sich als Moderator, Debattierer und Dozent an der HWZ. In seinem Wirken ist er stets darin bestrebt, die reale Welt möglichst vorbehaltlos zu verstehen und zu deuten. Diese Absicht hat ihn Ende 2014 auch an Bitcoin herangeführt. Noch während seiner Universitätszeit begann er sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Im August 2019 publizierte er dann mit zwei weiteren Autoren das Buch: Ignorieren auf eigene Gefahr – die dezentrale Welt von Bitcoin und Blockchain.

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