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payoff Blockchain Report

Wider die Volatilität: Marktneutrale Krypto-Yield-Strategien

02.10.2023 7 Min.
  • Pascal Hügli
    Redaktor

Der Vermögensverwalter VanEck hat in einem erst kürzlich erschienen Bericht festgestellt: Die wirtschaftliche Aktivität auf DeFi-Protokollen ist seit dem März rückläufig. So hat sich beispielsweise das Volumen dezentraler Börsen im August gegenüber Juli um 15.5% reduziert. 

Die Gründe für diesen Rückgang sind wie immer vielfältig. Die Welt der Krypto-Assets hat nach einem kurzweiligen preislichen Aufbäumen Anfang des Jahres wieder nachgelassen und befindet sich aktuell im Seitwärtstrend. Fallende oder stagnierende Kryptopreise sollten die DeFi-Aktivität jedoch nicht zwingend schmälern, da letztere vor allem auch marktneutrale Ertragsmöglichkeiten wie die Krypto-
Kreditvergabe (Lending), die Arbitrage oder das Bereitstellen von Liquidität (Liquidity Provision) bietet. 

Daher dürfte der Rücklauf eher durch Hacks begründet sein, die in jüngster Zeit verschiedene namhafte DeFi-Protokolle wie Curve oder Balancer geplagt haben. Und dann natürlich auch durch das steigende Zinsumfeld. Die hohen Zinssätze veranlassen Anleger dazu, Kapital aus Stablecoins und DeFi abzuziehen und in risikofreie Staatspapiere zu stecken, die selbst am kurzen Ende aktuell über 5% abwerfen.

Der Run auf tokenisierte Staatsanleihen

Natürlich lässt sich auch die DeFi-Welt diese lukrativen Renditen nicht entgehen. So erfreuen sich tokenisierte Staatsanleihen – allen voran US-Staatspapiere – wachsender Beliebtheit. Ob junges Start-up oder etablierter Vermögensverwalter, gefühlt arbeiten derzeit alle daran, dieses durch die Zinserhöhungen für Sparer wieder spannend gewordene Anlageprodukt zu tokenisieren. 

Ein Überblick zu den einzelnen Akteuren und deren Lösungen findet sich hier.

Innerhalb nur weniger Monate ist die Marktkapitalisierung tokenisierter Anleihen denn auch rasant auf derzeit über USD 600 Millionen angestiegen. Die Tokenisierung dieser traditionellen Anlageinstrumente macht es möglich, über die Blockchain ein Exposure gegenüber Staatsanleihen und deren Renditen zu erhalten. 

Das heisst: Um in US-Staatsanleihen zu investieren, muss man die Blockchain-Welt nicht mehr länger verlassen, sondern es lässt sich direkt mit Stablecoins in diese Anlagen investieren. Selbst die Zinszahlungen können automatisiert über die Blockchain, das heisst «on-chain» an die Anleihen-Inhaber ausgezahlt werden. 

Das Geschäft der Kryptokredite bleibt harzig

Neben tokenisierten Anleihen gibt es weitere, prominente Wege, marktneutrale Renditen mit digitalen Vermögenswerten zu verdienen. So zum Beispiel das Krypto-Lending, bei dem auf der Basis von Krypto-Assets besicherte Kredite vergeben werden. Diese Praktiken prägten insbesondere den Bullenmarkt von 2021, ehe dieser zum Ende kam und mit ihm schwarze Schafe wie Three Arrows Capital (3AC) aufgedeckt wurden, die letztlich den gesamten Krypto-Lending-Markt arg erschütterten und verschiedene Akteure wie Genesis, Celsius, BlockFi und andere in den Ruin trieben. Was die Privatkundenseite betrifft, so gab es auch Überlebende. Ledn oder auch Nexo wären diesbezüglich zu nennen.

Heute noch immer im Krypto-Lending-Geschäft tätig sind zentralisierte Kryptohandelsbörsen, sogenannte CEXs wie HuobiKucoinBinanceOKXCoinbase oder auch Bitfinex. Tether, der grösste US-Stablecoin-Emittent, hat die Kreditvergabe wieder aufgenommen. Der letzte vierteljährliche Finanzbericht des Unternehmens zeigt, dass der Stablecoin-Herausgeber seine Ausgabe von USDT-denominierten Krediten von USD 5.3 auf USD 5.5 Milliarden erhöht hat – und das obwohl das Unternehmen Ende 2022 verkündet hatte,, dass man das Kreditgeschäft beenden würde. 

Obschon Krypto-Lending noch immer existiert und einige Akteure davon Gebrauch machen müssen, ist die Industrie als Ganzes sehr vorsichtig worden. Das zeigt das eben genannte Tether-Beispiel. Laut dem Unternehmen seien die Kredite vor allem deshalb vergeben worden, um Illiquiditätssituationen sowie das damit zusammenhängende Abverkaufen von Sicherheiten zu ungünstigen Preisen abzuwenden.

Ähnliches bestätigt auch der CEO von Blockchain.com. Wie Peter Smith an der Token2049 anmerkte, sei der gesamte Markt derzeit «echt nervös wegen der undurchsichtigen Gegenparteirisiken». Mit seiner Firma war er ein bedeutender Kreditgeber des gescheiterten Hedgefonds 3AC. Seiner Überzeugung nach dürften die Kryptokreditmärkte in absehbarer Zeit nicht zu ihrer alten Grösse zurückfinden und wenn, dann werden die Deals weiterhin überbesichert bleiben. Mit Maple Finance hat Peter Smith gerade eines der DeFi-Kreditprotokolle angekündigt, keine unterbesicherten Kredite mehr zu vergeben. Dies deshalb, weil das Protokoll schlicht von zu wenig potenten Kreditnehmer genutzt wird.

Krypto-Arbitrage: DEX sei Dank 

Arbitrage gilt als risikofreie Ertragsquelle und ist demnach ebenfalls marktneutral. Dabei geht es um das Ausnutzen von Preisdifferenzen. Das heisst: Ist ein Krypto-Assets auf einer Handelsbörse höher bepreist als auf einer anderen, kaufen Arbitrage-Händler diesen Vermögenswert auf der Börse mit dem tieferen Preis, um es dann auf der Börse mit dem höheren Preis zu verkaufen. Abzüglich des Wechselkurses sowie anfallenden Gebühren muss für den Arbitrage-Händler dann ein Gewinn resultieren. 

Arbitrage-Möglichkeiten bleiben in der Regel nicht lange bestehen, weil diese durch verschiedene Marktteilnehmer entdeckt und dann wegarbitragiert werden. Da die Kryptomärkte gemeinhin noch als immer unregulierter, ineffizienter und daher volatiler gelten und Kryptovermögenswerte weltweit an Hunderten von Börsen rund um die Uhr gehandelt werden, gibt es für Arbitrage-Händler in diesen Märkten noch immer mehr Möglichkeiten, profitable Preisdiskrepanzen zu finden. Verschiedene Applikationen wie ArbismartCryptohopper oder Pionex werben damit, diese Arbitrage-
Opportunitäten profitabel auszunutzen – ob und wie das der Fall ist, können wir an dieser Stelle nicht ergründen. 

Besonders geeignet für die Umsetzung von Arbitrage-Strategien sind die dezentralen Kryptohandelsbörsen (DEXs). Diese haben wir in einem Bericht im vergangenen payoff magazine im Detail beschrieben. Zumal bei einer DEX der zentrale Market-Maker fehlt, ist diese unter anderem auf Krypto-Arbitrage-Händler angewiesen, um die Preise von Krypto-Assets auf DEXs im Einklang mit denen anderer Börsen zu halten.

So ist es auf einer DEX der, auf einer mathematischen Formel basierende, Algorithmus, der das Preisverhältnis der beiden Krypto-Assets im Liquiditätspool konstant anpasst. Will ein Händler Ether aus dem ETH/WBTC-Pool erwerben, muss dieser zuerst WBTC-Token in den Pool einzahlen, um ETH zu erhalten. Dieser Vorgang verändert das Verhältnis der beiden Vermögenswerte im Pool (es gibt mehr WBTC und weniger ETH). Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, greift das Protokoll ein, indem es automatisch den Preis von WBTC senkt und den Preis von ETH erhöht. So werden Arbitrage-Händler angelockt, die günstigere WBTC-Token aus dem Pool entnehmen und ETH hinzufügen, bis die Preise wieder mit dem Rest des Marktes übereinstimmen.

Derartige Arbitrage-Optionen auf dezentralen Börsen bieten Kryptomarktteilnehmer also noch immer die Möglichkeit, eine marktneutrale Rendite zu erlangen. Im Gegensatz zu CEX-Arbitrage-Händlern sehen sich DEX-Arbitrageure mit keinem Ausführungsrisiko konfrontiert. Ebenfalls kann ein speziell entwickelter Arbitrage-Smart-Contract mit einer einzigen Transaktion mehrere Trades auf verschiedenen Marktplätzen (über mehrere DEXs hinweg) ausführen. Diese atomaren Transaktionen garantieren, dass entweder alle oder keiner der Trades ausgeführt wird.

Liquidity Provision: Die andere Seite des DEX-Arbitrageurs

Auf der anderen Seite einer DEX sind die sogenannten Liquiditätsanbieter (Liquidity Provider, auch LP genannt), welche diesen DeFi-Protokollen Liquidität (Stablecoins oder Nicht-Stablecoins) zur Verfügung stellen. Die bekanntesten dieser Protokolle sind Bancor, Curve oder Uniswap. Insbesondere Curve ist eine der meistgenutzten DEXs innerhalb der DeFi-Welt und wurde speziell für den Tausch von Stablecoins entwickelt. Vor allem professionelle Nutzer verwenden das Curve-Protokoll über Convex, einem Rendite-Optimierer, der es Token-Inhabern ermöglicht, noch mehr Belohnungen im Curve-eigenen Token (CRV) zu verdienen. 

Damit DEX-Händler Token gegen den Stablecoin handeln, und DEX-Arbitrageure schliesslich die Preise ausbalancieren können, müssen Krypto-Assets durch Liquiditätsanbieter in einen Liquiditätspool (ein Smart Contract) eingezahlt werden. Als Verdienst dafür erhält der LP einen Anteil an den Handelsgebühren sowie weitere Erträge, die meistens im Token der jeweiligen DEX ausbezahlt werden. 

Um keine direktionalen Marktrisiken zu tragen und möglicherweise sogar eine zusätzliche Rendite zu erzielen, wird das Preisrisiko über unbefristete Terminkontrakte, sogenannte «Perpetual Futures», abgesichert. Das geht so: Dadurch, dass der Liquiditätsanbieter ein bestimmtes Krypto-Asset in einem Liquiditätspool hat, hält er auf diesen Vermögenswert eine Long-Position. Um marktneutral aufgestellt zu sein, bedarf es folglich einer gleichwertigen Short-Position. Diese schafft sich der LP durch das Verkaufen der gleichen Menge des Krypto-Assets mittels dieser unbefristeten Futures. Ist die sogenannte «Funding Rate» erst noch positiv, verdient der LP zusätzlich, ist sie negativ, muss er als Short-Positionen-Besitzer, die Trader mit den Long-Positionen bezahlen.

Um neben den Preisschwingungsrisiken auch noch das Smart-Contract-spezifische Protokollrisiko zu verringern, können einige Risiken durch eine Protokollversicherung abgesichert werden. DeFi-Protokolle wie Nexus MutualOpium FinanceInsurAce oder Bumper Finance ermöglichen diese Dienstleistungen.   

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