Zurück
payoff Interviews

«Wir sind gegen Vorhersagen aber für Analysen»

08.02.2016 5 Min.
  • Dieter Haas

Susanne Grabinger, CFA, Investment Specialist Multi-Asset Strategies bei M&G Investments in London über dynamische Asset-Allokation und prognosefreien Strategien, Volatilitäten und emotionale Marktübertreibungen.

Frau Grabinger, wie lässt sich das Thema prognosefreie Strategien und dynamische Assetallokation in wenigen Worten erklären?

Vereinfacht gesagt: Wir sind strikt gegen Vorhersagen aber für Analysen, denn auf Dauer immer richtige Vorherzusagen ist nahezu unmöglich. Und selbst wenn die Prognosen richtig wären, wüsste man dann trotzdem noch nicht, wie die Märkte kurzfristig reagieren. Denn Aktien sind wesentlich volatiler als die zugrundeliegenden Unternehmensgewinne.  Die Volatilität bei Aktien ist ca. zu 80% nicht von den Unternehmensergebnissen bestimmt, sondern durch andere Markteinflüsse. Diese Ereignisse wiederum münden in starken Kursausschlägen, die aber kein Analyst oder Stratege vorhersagen kann. Mit Dynamischer Asset Allokation nutzen wir Chancen, die sich aus dieser Volatilität ergeben.

Das heisst, dass bei dynamischer Asset-Allokation wie es M&G lebt «auf Sicht gefahren» wird statt ganze Törns zu planen?

Unsere Fondsmanager im Multi-Asset Team sind Volkswirte, die ausgiebig die aktuellen Fundamentaldaten analysieren und mit den Bewertungen am Markt vergleichen, um festzustellen, was im derzeitigen Marktumfeld attraktiv ist. Stellen wir Widersprüche fest zwischen den beobachtbaren Fundamentaldaten und den Bewertungen am Markt, welche in signifikanten Über- oder Unterbewertungen resultieren, kann der Fondsmanager handeln. Aber Kursprognosen aus der Analyseabteilung alá der SMI oder DAX steht bis Ende 2016 bei X oder Y Punkten sucht man bei uns vergeblich. Noch etwas besonderes: Wir haben bewusst keinen Chief Investment Officer und keine Hausmeinung, die alle Einzelsichten überlagert. 

«Eine Shortposition halten wir auf den US-Gesamtmarkt auf den S&P 500, dagegen haben wir eine long Position im Finanzsektor. Dort sind wir bullish.»

Wie werden welche Events gescreent und ab wann ist etwas signifikant oder ein relevanter Aspekt für Reallokation im Portfolio – die Volatilitätsentwicklung zum Beispiel? 

Volatilität ist ein gutes Beispiel. Wir machen einen grossen Unterscheid zwischen Risiko und Volatilität! Als Risiko definieren wir als signifikanten, permanenten oder semi-permanten Wertverlust von beispielsweise 50% eines  Vermögenswertes . Die Volatilität dagegen ist die Schwankungsbreite eines Vermögenswertes. Wenn der Anlagehorizont eines Anlegers adäquat ist und die Volatilität emotional bedingt ist, kann dies interessante Investmentchancen eröffnen.  Wir beobachten die Märkte jeden Tag, sehen wir eine sehr rapide Kursentwicklung, also fällt oder steigt beispielsweise ein Markt innerhalb wenigen Wochen um 10% bis 15%, erfolgt die Analyse und eventuell dann ein Trade. 

Heisst dynamische Asset-Allokation nicht aber auch gleichzeitig regelbasierte Investitionsentscheidungen?

Wir haben explizit kein regelbasiertes Modell. Jede emotionale Phase ist anders und erfordert eine inviduelle Einschätzung.

…das heisst die Kaufen und Verkaufsentscheidung bei der Allocation Palette erfolgt mehr oder weniger nach Gusto?

Es ist ein abgestimmter Prozess unter der Verantwortung des jeweiligen Fondsmanagers. Juan Nevado beispielsweise  – er managt den Dynamic Allocation Fund – kam  1988 zum Prudential Konzern und ist Teil des M&G Multi Asset Teams. Er hat mehr als 30 Jahre Erfahrung, wann es sich lohnt gegen den Mainstream zu agieren. Wir haben im August 2015 Aktien gekauft und ebenso im Januar diesen Jahres. Und zwar haben wir Positionen in Aktien aus den entwickelten Märkten aufgebaut, wo die Fundamentaldaten weiterhin ok sind. Die Bewertungen dieser Aktien sind aber deutlich günstiger geworden, weil Investoren sich Sorgen machen bezüglich einer Auswirkung des schwächeren Wirtschaftswachstums in China und des deutlich niedrigeren Ölpreises. Viele andere Häuser haben in dieser Zeit die Aktienquote reduziert.

Wir haben bewusst keinen Chief Investment Officer und keine Hausmeinung, die alle Einzelsichten überlagert.»

Wo sind Sie bullish und wo bearish?

Wir sind momentan übergewichet in Aktien und Unternehmensanleihen, während wir ein Untergewicht haben bei Staatsanleihen. Wir setzen im Aktienbereich auf entwickelte Märkte wie den breiten Eurostoxx 50, DAX sowie französischen, spanische und italienische Aktien. Ebenfalls bullish sind wir auf U.S. Bankaktien. Eine Shortpositionen halten wir hingegen auf den US-Gesamtmarkt auf den S&P 500, damit ergibt sich ein relativ value trade US Banken long vs breiter Markt short. Bei den Staatsanleihen sind wir bullish auf die europäische Peripherie also Spanien, im 5 und 10jährigen Bereich, und Portugal, im 4 bis 5jährigen Bereich. Short sind wir dagegen beispielsweise 5-jährigen US-Treasuries und die 10jährigen deutschen Bundesanleihen.

Wie setzen Sie ihre Positionen um – mit Futures, ETFs oder Direktanlagen?

Wir nutzen überwiegend Futures aber auch ETFs. Grundsätzlich wird das kostengünstigste und effizienteste Instrument gewählt. ETF sind allerdings aus Sicht eines UCITS-Fonds auf 10% des gesamten Fondsvermögens begrenzt, da diese ja rechtlich ebenfalls als Anlagefonds klassifiziert sind. Daher sehe ich die Diskussion um Rollkosten bei Futures vs. ETFs mit gewisser Distanz. Direktanlagen sind seltener, überwiegend im Bondbereich.

Abschliessend: Dynamische Asset-Allokation funktioniert nur wenn die Korrelation gleich bleibt und damit als Diversifikation funktioniert. Wie gehen Sie mit den sich inzwischen stark verändernden Korrelationen diverser Assetklassen um?

Wenn man sich die historischen Korrelationen ansieht muss man sich fragen: Können westliche Staatsanleihen auf in Zukunft noch als Diversifikation für Aktien dienen? Unser Meinung nach ist das Diversifikationspotenzial bei dem derzeitigen Renditeniveau limitiert. Dementsprechend sind wir auch nicht maximal bullish bei Aktien. Wie angesprochen sind wir in Aktien übergewichtet, aber nicht maximal bullish.

  

VITA

Susanne Grabinger kam 2010 zu M&G. Sie ist gegenwärtig als Investmentspezialistin tätig und unterstützt die M&G Dynamic Allocation Fondspalette und den M&G Global Convertible Fund. Vor ihrem Firmeneintritt bei M&G arbeitete sie als Kundenportfoliomanagerin für JP Morgan Asset Management. Sie konzentrierte sich hier auf die Aktienkonten institutioneller Kunden sowie Mischfonds. Susanne Grabinger schloss ihr Studium der Betriebswirtschaft an der Universität Bamberg mit einem MA ab und ist Chartered Financial Analyst (CFA). 

Weitere News aus der Rubrik

Unsere Rubriken