Zeit für eine bullische Bestandsaufnahme
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Pascal Hügli
Redaktor
Wir befinden uns gerade wieder in jener Zeitperiode, in der das Gros der Privatanleger das Interesse an Krypto verliert. In den vergangenen Juni-Wochen hat Bitcoin kontinuierlich an Wert verloren, sodass die
noch im März vorhandene Euphorie verflogen ist und nahezu niemand
mehr tagtäglich die Kryptokurse checkt.
Für den kontrazyklischen Investor signalisiert diese Realität ein günstiges Marktumfeld – schliesslich möchte man sich dann positionieren, wenn es die Mehrheit der Anleger gerade nicht zu tun scheint. Natürlich geben wir hier keine Anlageempfehlung ab. Dennoch möchten wir in diesem Beitrag auf verschiedene interessante Entwicklungen hinweisen, die derzeit stattfinden und den Kryptomarkt in naher Zukunft als ernst zu nehmende Katalysatoren positiv beeinflussen könnten.
Trump auf der Siegerstrasse?
In letzter Zeit hat sich Präsidentschaftskandidat Donald Trump überraschend positiv zu Bitcoin und Krypto-Assets geäussert und damit seine frühere Skepsis abgelegt. In mehreren Wahlkampfreden betonte er, dass die USA in diesem Bereich führend sein sollten. Trump versprach beispielsweise als Präsident das Bitcoin-Mining in den Vereinigten Staaten erheblich zu fördern. Als selbst ernannter «Krypto-Präsident» führte er sogar ein Tool ein, das es Spendern ermöglicht, in verschiedenen Kryptowährungen zu spenden, darunter Bitcoin, Ethereum, Solana, Dogecoin und Shiba Inu. Offensichtlich ist, dass der republikanische Präsidentschaftsanwärter als Meister des Opportunismus mit diesen Aussagen vor allem die Unterstützung der jüngeren, krypto-freundlicheren Generationen anstrebt. Trumps Wandel vom Skeptiker zum Befürworter erscheint daher wenig überraschend und folgt einer klaren Strategie.
Überraschender ist jedoch, dass sich diese politische Entwicklung aktuell kaum im Preis von Bitcoin widerspiegelt. Immerhin sind Trumps «Aktien», also seine Umfragewerte, spätestens seit der kürzlich abgehaltenen Präsidentschaftsdebatte auf CNN nochmals stark angestiegen. Einige Marktbeobachter sehen darin eine der grössten Preisdiskrepanzen der jüngeren Finanzmarktgeschichte: die Kluft zwischen dem aktuellen Bitcoin-Preis und den potenziell tiefgreifenden positiven Auswirkungen einer Trump-Präsidentschaft auf Bitcoin und die gesamte Krypto-Branche.
US-Zinssenkungen: gemachte Sache?
Verschiedene Marktkommentatoren fordern seit Langem US-Zinssenkungen, bisher jedoch ohne Erfolg. Dieses ständige Herbeireden von Zinssenkungen dürfte viele Anleger abgestumpft haben. Doch jetzt, wo viele glauben, dass sich baldige Zinssenkungen als leere Hoffnung entpuppen, sollte nicht das Handtuch geworfen werden.
Die US-Notenbank hat stets betont, dass ihre Zinsentscheidungen datenabhängig sind. Immer mehr Anzeichen deuten darauf hin, dass sich die Inflation dem 2%-Ziel nähert, nicht zuletzt aufgrund sinkender Preise für Unterkünfte und Energie.
Neben der Inflation sind vor allem die Arbeitslosenzahlen im Fokus der US-Notenbank. Mit einer aktuellen Arbeitslosenquote von 4% hat man bereits das Niveau erreicht, das bis Jahresende angestrebt wurde. Sollten die am 5. Juli veröffentlichten Arbeitsmarktdaten eine weitere Abkühlung zeigen – wovon auszugehen ist – könnte der Markt schnell wieder mehrere Zinssenkungen einpreisen. Diese Erwartung könnte man auch aus dem jüngsten WSJ-Artikel von Nick Timiraos herauslesen. Timiraos gilt als inoffizielles Sprachrohr der US-Notenbank, über das die Fed-Verantwortlichen die Märkte bereits Tage vor ihren offiziellen Verlautbarungen ins Bild setzen möchten. Was, wenn die Fed also jetzt schon signalisiert, dass sie in ihrem nächsten Juli-Meeting die Märkte auf Zinssenkungen vorbereiten möchte, welche sie dann im September durchführt?
Sorgen Ethereum ETFs für eine Überraschung?
Die Einführung von Ethereum-ETFs steht unmittelbar bevor und könnte nur noch wenige Tage entfernt sein. Die US Securities and Exchange Commission hat die Frist für die Genehmigung der S-1-Formulare erneut verschoben: Neuer Termin ist der 8. Juli.
In der Welt der Kryptowährungen haben sich viele Investoren aufgrund des Kursanstiegs von Ethereum abgewandt. TradFi-Investoren, die ihre ersten Schritte in der Kryptowährungsindustrie machen, bleiben Ethereum jedoch treu. Für sie ist Ethereum nach wie vor die Nummer eins unter den vielen Smart Contract-Blockchains. Ethereum bietet nicht nur eine Marktkapitalisierung, die institutionelle Investoren anzieht, sondern auch eine Vielzahl von DeFi-Anwendungen, und ist die bevorzugte Plattform für verschiedene RWA-Lösungen. Im Gegensatz zu Bitcoin generiert Ethereum dank Staking eine reale Rendite, ist weniger energieintensiv und wird daher von vielen als nachhaltigere Wahl betrachtet. Mit wie vielen Zuflüssen ist nun aber zu rechnen, wenn die Ethereum-ETFs live gehen? Experten aus der Branche prognostizieren Zuflüsse von bis zu USD 15 Milliarden. Natürlich werden diese Gelder nicht gleich am ersten Tag zufliessen, sondern sich über die ersten Monate nach Einführung verteilen. Sollten die Zuflüsse bei den Ethereum-ETFs gar positiv überraschen, könnte dies die Kryptomärkte nochmals zusätzlich befeuern.
Angst vor Verkaufsdruck?
Bereits seit Tagen steht der Kryptomarkt unter dem Einfluss der Angst vor massivem Verkaufsdruck, ausgelöst durch Gläubiger von Mt. Gox oder Regierungen wie Deutschland und den USA. Jüngste Bewegungen auf der Bitcoin-Blockchain zeigen denn auch, dass die deutsche Regierung erst kürzlich wieder 400 Bitcoin an die Kryptobörsen Bitstamp, Coinbase und Kraken gesendet hat.
Wie sind diese Befürchtungen vor weiteren Abverkäufen zu bewerten? Die Nachricht, dass Mt. Gox Gläubiger in den nächsten Juli-Wochen über 140’000 BTC erhalten werden, dürfte weitgehend eingepreist sein. Die Verteilung der Bitcoins wird gestaffelt und nicht auf einmal erfolgen. Zudem dürften die meisten Ansprüche auf die gesperrten Bitcoin bereits gehandelt worden sein, was bedeutet, dass sie wahrscheinlich von weniger verkaufsbereiten Akteuren gehalten werden. Auch können Gläubiger zwischen BTC und Fiat wählen. Wer sich für BTC entschieden hat, plant vermutlich, diese zu behalten.
Was die staatlichen Verkäufe betrifft, so wäre es für den Bitcoin-Preis problematisch, wenn der deutsche Staat Bitcoin im Wert von USD 2.8 Milliarden und der US-Staat sogar USD 13 Milliarden auf einmal auf den Markt werfen würde. Aus praktischen Gründen der Liquidität ist ein solches Szenario jedoch unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass der Verkaufsdruck noch einige Wochen bis Monate bestehen bleibt und vom Markt absorbiert werden muss. Eine nicht zu vernachlässigende Gruppe, welche diesbezüglich bald als Käufer auftreten könnte, sind die FTX-Gläubiger. Spätestens am 7. Oktober soll das Gericht entscheiden, ob der Liquidationsplan bewilligt wird und Rückzahlungen in Höhe von USD 14 bis 16 Milliarden in Fiat erfolgen können. Gut möglich, dass Gläubiger, die stark in der Kryptowelt verankert sind, dieses Geld wieder in Krypto-Assets wie Bitcoin und Ether reinvestieren. Das würde eine gegenteilige Dynamik erzeugen, anders als sie der Markt bei Mt. Gox befürchtet hat.
Folgt jetzt der grosse Michael?
Der ehemalige CEO von MicroStrategy, Michael Saylor, ist weltweit bekannt für die kontinuierlichen Bitcoin-Käufe des US-Softwareunternehmens. Insgesamt besitzt die Firma mittlerweile 226’331 BTC, mit einem Wert von über USD 14 Milliarden. Kürzlich wurde Saylor gefragt, ob seine Bitcoin-Strategie inzwischen von anderen CEOs wahrgenommen werde und ob sie ihn kontaktieren würden. In seiner Antwort meinte er, dass in letzter Zeit mehr und mehr Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer öffentlicher Unternehmen darauf aufmerksam geworden seien. Angesichts dieser Aussagen haben sich einige gefragt, ob es Zufall ist, dass sich Michael Dell, der vierzehnreichste Mensch der Welt und CEO der US-Technologiefirma Dell, seit Neustem diskret zu Bitcoin äussert. Neben einer Aussage, dass Knappheit Wert schafft, stellte Dell in einer Umfrage auf Twitter die Frage nach den wichtigsten Dingen im Leben und nannte dabei KI, Bitcoin sowie Liebe und Beziehungen als Optionen. Natürlich belegte Bitcoin den ersten Rang in seiner Umfrage.
Noch ist aber nicht offiziell bekannt, ob Dell tatsächlich eine ähnliche Strategie wie Saylor verfolgen will. Interessant ist jedoch, dass Michael Dell Aktienverkäufe in Rekordhöhe von USD 2.9 Milliarden für dieses Jahr angekündigt hat. Ob ein Teil dieses Kapitals in Bitcoin fliessen wird, bleibt abzuwarten.