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payoff Interviews

Die Abenomics haben 2015 den Grundstein gelegt.

06.07.2023 6 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Die Geschichte lehrt uns, dass man vorsichtig sein sollte, auf japanische Aktien zu setzen, wenn andere optimistisch sind. Diesmal auch?
In Japan kommen mehrere Faktoren zusammen, die den starken Anstieg erklären: Die Binnenwirtschaft ist wieder offen und die Inflation kommt nach 30 Jahren endlich in Gang. Die Reform der Corporate Governance erhöht die Renditen der Anleger. Ausserdem bleibt die Geldpolitik im Gegensatz zur US-Notenbank sehr unterstützend, wodurch die Währung sehr schwach und billig ist, was für die Exporteure äusserst vorteilhaft ist.

Das Risiko wäre eine globale Rezession und/oder eine Aufwertung der Währung, was Exporteure mit einem globalen Geschäftsmodell in Bedrängnis bringen würde. Da sich die Weltwirtschaft jedoch weiterhin solide entwickelt und die Zentralbanken an ihrer derzeitigen Politik festhalten, dürfte das derzeitige Umfeld für japanische Aktien sehr günstig sein.

An was machen Sie Ihre Meinung fest?
Die heimische Wirtschaft erholt sich stark von der Pandemie, der Binnenkonsum nimmt wieder zu, Tokio und der Hochgeschwindigkeitszug sind voller Touristen. Auch Chinas Wirtschaft öffnet sich wieder und erholt sich, und das Land bleibt Japans grösster Handelspartner, was vielen japanischen Exporteuren und Industrieunternehmen Auftrieb gibt. Infolgedessen betrachten Anleger Japan nun als eine Chance, von der Wiedereröffnung Chinas zu profitieren, ohne direkt in China zu investieren.

Vor diesem Hintergrund steigt die Inflation, aber da Japan seit 30 Jahren mit einer hartnäckigen Inflation zu kämpfen hat, will die Bank of Japan diese ersten Anzeichen einer steigenden Inflation und Verbrauchernachfrage nicht brechen. Daher wird die Zentralbank wahrscheinlich weiterhin eine vorsichtige Haltung einnehmen, bevor sie ihre Geldpolitik strafft.

Die positive Entwicklung der japanischen Aktien hat ja nicht gerade erst «gestern» begonnen. Was waren die Treiber?
Die drei in der ersten Frage genannten Faktoren sind gleichzeitig aufgetreten und werden sich wahrscheinlich fortsetzen. Das Thema Corporate Governance entwickelt sich seit 10-15 Jahren, aber wir sehen echte und greifbare Anzeichen, und viele Investoren, die früher skeptisch waren, beginnen endlich an diese Entwicklung zu glauben.

War Warren Buffet mit seinem Einstieg auch ein Treiber?
Warren Buffet begann erst im Oktober 2020 mit dem Aufbau von Positionen in Handelsunternehmen, so dass dies nicht unbedingt eine Neuigkeit ist. Aber die Tatsache, dass Warren Buffet im Frühling die Chancen lobte, die er in diesem Bereich sieht, und andeutete, dass er wahrscheinlich mehr kaufen werde, trägt sicherlich zur Stimmung bei und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Markt.

Ein Faktor ist ja auch die Veränderung der Unternehmenskultur? Wie ist das spürbar und was erhofft man sich davon?
Der Wandel in der Unternehmenskultur ist ein langfristiges Thema, das jetzt Früchte trägt. Die Abenomics haben 2015 den Grundstein gelegt, aber jetzt haben wir den Beweis in Form von höheren Aktionärsrenditen. Aktivistische Hedgefonds, inländische Investoren, Unternehmen und schliesslich auch ausländische Investoren werden aufmerksam. 

Es gibt noch viel zu verbessern, und dies bleibt eine Priorität für die Tokioter Börse. Die Managementteams müssen bereit sein, die Reformen anzunehmen und die Probleme anzugehen. Aber für Anleger, die diese erkennen, werden sich Chancen und Renditen ergeben.

Immer wieder hört man von der harmonischen Beziehung zwischen Politik, Zentralbank und Finanzbranche. Ist dem so, oder nur «Schein»?
Japan kämpft seit 30 Jahren mit geringem Wachstum, fehlender Inflation, schwachen Aktienrenditen und einer alternden Bevölkerung. Inmitten dieser Herausforderungen gibt es grosse Unterstützung und Einigkeit darüber, dass viel getan werden muss, um diese Herausforderungen anzugehen – seitens der Zentralbank, der Regierung und der Bevölkerung. 

Im Bereich der Corporate Governance herrscht Einigkeit darüber, dass die Standards und Renditen verbessert werden müssen, um Investoren und Investitionen anzuziehen und die demografischen Herausforderungen zu bewältigen.

Ist es auch ein Modell für andere Länder, wie Europa? Oder funktioniert es nur in Japan?
Japan ist im Vergleich zu Europa in Bezug auf diese Herausforderungen vielleicht weiter hinten anzusiedeln. Aber einige dieser Herausforderungen, z. B. die demografische Alterung in Europa, verschlechtern sich, was Europa helfen könnte, einen Konsens und eine Einigung zu erzielen.

Japan muss sich, ähnlich wie die Schweiz, immer wieder neuerfinden. Eine der letzten Adaptionen an das neue globale Umfeld, war bezogen auf den Handelskrieg zwischen den USA und China. Wo denken Sie, muss sich Japan in Zukunft hin entwickeln?
Einige Investoren sehen in Japan eine Möglichkeit, von der Wiedereröffnung Chinas zu profitieren, ohne ein geopolitisches Risiko einzugehen. Japan hat die geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA geschickt gemeistert, indem es nach China exportiert und gleichzeitig zum «Team Amerika» gehört. Dies könnte in Zukunft schwieriger werden, aber Japan ist ein Beispiel für eine wohlhabende Region mit Demokratie, Kapitalismus und besserer Unternehmensführung.

Welche Sektoren haben Ihrer Meinung nach noch das grösste Potenzial für die Zukunft?
Die Einzelhandelsunternehmen profitieren von der Zunahme des Einreiseverkehrs, insbesondere nach der Wiedereröffnung Chinas. 

Wir haben eine überdurchschnittliche Allokation im Baumaschinensektor. Wir sind überzeugt, dass es sich bei unseren Positionen um Weltklasseunternehmen mit robusten Wachstumstrends handelt, die an der Spitze innovativer Technologien und der Fabrikautomation stehen.

Welche drei japanischen Aktien sollten in keinem diversifizierten Portfolio fehlen?
Unserer Einschätzung nach ist der Top-Down-Markt der letzten drei Jahre vorbei, in Zukunft wird es ein Stockpicker-Markt sein. 

Keyence ist ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich der Fabrikautomation und stellt Bildverarbeitungs- und Lasersensoren her, die in einer Vielzahl von Branchen zum Einsatz kommen. Wir glauben, dass in einer Welt mit alternder Bevölkerung und Pandemien die Nachfrage nach automatisierten Produktionslinien kontinuierlich steigen wird.

Sony ist ein weltweit tätiges Elektronikunternehmen, das in den Bereichen Spiele, Kameras und Sensoren führend ist und ebenfalls vom schwachen Yen profitiert.

Daiichi Sankyo schliesslich ist ein weltweit führender Hersteller von Antikörper-Medikamenten, die zur Bekämpfung verschiedener Krebsarten eingesetzt werden. Wir gehen davon aus, dass die Medikamente von Daiichi Sankyo zum Standard bei der Behandlung von Lungen- und Brustkrebs werden.

Vielen Dank!

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Daniel Hurley, ist ein Portfoliospezialist bei T. Rowe Price. Er ist Mitglied der Investmentteams Emerging Markets Equity und Japan Equity. Daniel Hurleys Anlageerfahrung begann 2007, und er ist seit 2010 bei T. Rowe Price tätig. Davor war er bei Royal London Asset Management beschäftigt. Daniel hat einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der Universität Liverpool sowie den Titel eines CFA.

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