Die Kunst liegt darin, dass der Sensor in der Praxis schnell genug arbeitet.
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Serge Nussbaumer
Chefredaktor
Stefan Buck, habt ihr die eierlegende Wollmilchsau gefunden?
Nein, haben wir nicht. Anstatt einer Wollmilchsau hat adaptivv in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich einen Marktsensor entwickelt, der die Stabilität des Finanzmarktes misst. Anhand dieser Messung steuern wir das Risiko, sprich wenn der Markt unstabil wird, gehen wir aus dem Markt raus und wenn er wieder instabil ist, wieder rein mit der Zielsetzung, in grossen, anhaltende Krisen mehr Schutz für den Investor zu bieten.
Starten wir bei adaptivv. Felix Fernandez und Tobias Setz kennt man von OpenMetrics, Sie von Leonteq. Wie kommt es zu adaptivv?
adaptivv ist der neue Name von OpenMetrics. OpenMetrics ist seit 6 1/2 Jahren im Markt als akademischer Berater im Risikomanagement von institutionellen Kunden tätig. Als ich die Technologie kennengelernt habe wurde mir klar, dass wir diese Technologie für eine breitere Investorenbasis investierbar machen müssen, nicht zuletzt weil ich das Produkt selber in meinem Depot haben möchte. Darum bin ich bei adaptivv eingestiegen und jetzt sind wir sehr glücklich, dass wir das erste Produkt lancieren konnten.
Hand aufs Herz, Ansätze, um bei steigenden Kursen zu partizipieren und nach «Unten» eine gewisse Absicherung zu haben, gab es schon einige. Was ist bei Ihnen anders oder besser?
Zuerst mal muss klar gesagt sein. 100% mit dem Markt zu partizipieren und zusätzlich eine Absicherung zu haben gibt es nicht. Jede Absicherung kostet was. Wir unterscheiden uns in 2 Hauptpunkten:
- Wir machen keine Einschätzung über die Zukunft, ob und wann eine Krise kommen wird, sondern wir messen die Stabilität des aktuellen Marktes. Das heisst wir machen keine Forecasts sondern Nowcast.
- Zweitens verwenden wir ein mathematischen Model namens Bayesian Change Point (BCP)-Analyse zur Messung von Regimeänderungen. Diese Methode wird auch in anderen wissenschaftlichen Bereichen wie der DNA-Sequenzierung verwendet, ist jedoch im Finanzwesen nahezu unbekannt.
Sie haben Ihren Ansatz in einem Satz wie folgt zusammengefasst: Ziel der Strategie ist es, an der Entwicklung des weltweiten Aktienmarktes zu partizipieren, aber in Krisenzeiten durch quantitative Intelligenz die Verluste zu minimieren. Wie muss ich mir das vorstellen? Was steckt dahinter?
Durch die kontinuierliche Messung der Marktstabilität in den zugrundeliegenden Industriesektoren sind wir in der Lage die Allokation dynamisch zu halten. Der wesentliche Unterschied zu klassischen Portfolios ist, dass wir in Phasen sinkender Stabilität aus den Aktienpositionen rausgehen und in kurzlaufende Geldmarktprodukte investieren. Also im Grunde ist die Basis wie bei einem traditionellen 60/40 Portfolio mit dem entscheidenden Unterschied, dass wir die Aktienquote eben nicht statisch festhalten sondern dynamisch von 0% – 100% steuern.
Was ist die Basis der Entscheidungsfindung?
Basis für unsere dynamischen Allokation ist der «adaptivv Sensor». Letztendlich können wir damit die aktuelle Marktstabilität sehr präzise und mit geringer Verzögerung messen. Die mathematische Methode dahinter nennt sich Bayessche Strukturbruchanalyse. Die Anwendung auf Finanzmärkte wurde ursprünglich an der ETH entwickelt und von adaptivv 2016 zur Marktreife gebracht.
Jede Krise ist anders. DotCom 2001, Finanzkrise 2008, Griechenland 2010, Covid 2020. Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Ansatz die nächste Krise «entdeckt»?
Die meisten gängigen Verfahren zur Erkennung von Marktkrisen müssen an den jeweiligen Markt angepasst (kalibriert) werden und reagieren daher sehr empfindlich auf Änderungen der Marktdynamik. Der adaptivv Sensor kalibriert sich kontinuierlich selbst und passt sich daher an jede Marktdynamik automatisch an. Allerdings kann keine Technologie sehr schnelle Marktänderungen durch exogene Schocks frühzeitig erkennen. Das ist wichtig zum Verstehen. Zum Beispiel wenn morgen unerwartet ein Atomkrieg ausbricht so können wir diese Marktkorrektur nicht vermeiden, weil wir zuerst den Markt «messen» müssen, bevor wir handeln können. Die Kunst liegt eben darin, dass der Sensor in der Praxis «schnell genug» arbeitet, um einen sinnvollen Schutz zu gewähren aber auch die Transaktionskosten in einem vernünftigen Bereich zu halten.
Wie setzen Sie nun all diese Informationen um? Welche Instrumente setzen Sie ein?
Wir sind da sehr «datensparsam» und benutzen nur die Renditen der jeweiligen Zeitreihe zur Messung der Stabilität. Es hat sich gezeigt, dass alternative Daten (z.B. Sentiment) i.d.R. keinen echten Mehrwert liefern. Grund dafür ist, dass der Mark Informationen extrem schnell verarbeitet. Also bevor ein Sentiment-Indikator ausschlägt, hat der Markt bereits reagiert.
Beim ETP+ messen wir die 11 Subsektoren des globalen Aktienmarktes und messen die Stabilität jedes Sektors unabhängig. Die 11 Sektoren werden mit effizienten ETFs abgebildet. Die Hedging Quote investieren wir in USD Money Marktet ETFs.
Ihr Ansatz ist als Index in einem ETP+ umgesetzt? Wie kommt es zu dieser Mischung? Oder anders gefragt, warum nicht als ein AMC?
Aus unserer Sicht bietet der ETP+ die maximale Sicherheit für die Investoren, da durch die Besicherung der Assets an der SIX, das Emittentenrisiko minimiert wird. Die Kosten dafür sind mit 20 Basispunkten relativ niedrig, der Investoren-Nutzen dafür sehr hoch.
ETF als Basiswerte, der Mantel mit ETP+ und das Listing. Dazu kommt noch eine Management Fee. Wie schaffen Sie es trotzdem die Kosten für den Anleger tief zu halten?
Der Vorteil unseres rein quantitativen Management-Konzeptes liegt vor allem in den niedrigen operativen Kosten. Daher können wir den ETP+ mit eine TER von 95 Basispunkten anbieten, was durchaus kompetitiv ist.
Vielen Dank!
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Die Produkte
ADWI Adaptivv Downside Control World Index
ADWIC Adaptivv Downside Control World Index
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Stefan Buck, hat einen Master of Science in Finance von der Universität Zürich und ist Chartered Alternative Investment Analyst (CAIA). Die letzten 7 Jahre war er Managing Director bei Leonteq Securities AG. Davor war Stefan Buck Head of Investor Solutions Switzerland bei Barclays, wo er 9 Jahre seiner Karriere verbrachte.