
Impact Investing bedeutet Investieren mit Wirkung.
-
Serge Nussbaumer, Chefredaktor
Herr von Angerer, wir haben einen Angriffskrieg in der Ukraine, weltweite Lieferkettenprobleme und Inflation. Drei grosse Problemfelder, die alle zusammenhängen. Rückt nun das Thema Nachhaltigkeit in den Hintergrund?
Absolut nicht. Zum einen steigt unsere Kundenzahl stetig an und damit haben wir eine grössere Zahl an Impact Investoren, die sich aktiv mit ihren Investments für das Thema Nachhaltigkeit engagieren wollen. Ausserdem sehen wir in unserem vierteljährlich veröffentlichten Impact Index, dass der Fokus ganz klar auf Unternehmen aus dem Sektor Erneuerbarer Energie liegt. Auf der Wunschliste unserer Kunden stammen 9 von 10 Unternehmen, die sie für ihre persönliche Anlagestrategie auswählen können, aus diesem Bereich.
Investieren in Nachhaltigkeit. Wie hilft das der Umwelt?
Ich habe als Investor zwei Möglichkeiten, selbst zu einer Veränderung beizutragen: Einmal, indem ich meine Verantwortung als Miteigentümer von Unternehmen, z. B. über die Stimmabgabe bei Hauptversammlungen, wahrnehme und den Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit in ihrer Strategie verhelfe. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, über die Bereitstellung von Kapital, beispielsweise die Mitfinanzierung des Ausbaus umweltfreundlicher Technologien über Green Bonds oder über die Start-up-Förderung von umweltfreundlichen Technologien. Der Kauf von Aktien von grünen, umweltschonenden Unternehmen auf dem Sekundärmarkt trägt dagegen so gut wie gar nicht zum Umweltschutz bei.
Haben Investitionen in Nachhaltigkeit ihren Preis? Wenn ja, welchen? Oder wenn nein, wo profitiert der Anleger?
Die Anlegenden profitieren doppelt von einer nachhaltigen Investition, denn sie erhalten sowohl eine solide Rendite als auch einen Gewinn für die Gesellschaft und die Umwelt. Das Risiko liegt heute eher bei konventionellen Anlagen, die ein deutlich höheres Risiko aufweisen, einen Wertverlust zu erleiden und zum Stranded Asset zu werden.
Wo liegen die Vorteile des Impact Investing? Vor allem gegenüber einem Fonds im Nachhaltigkeitsbereich?
Impact Investing bedeutet Investieren mit Wirkung, also einer Veränderung in der echten Welt. Dies kann zum einen durch die Bereitstellung von Kapital, da wo es fehlt, erfolgen, oder durch die Beeinflussung von Firmen über Active Ownership. Bei Fonds geben die Anlegenden ihre Verantwortung sozusagen an das Fondsmanagement ab und wissen in der Regel nicht, was eigentlich mit ihrem Geld passiert. Das ist bei Inyova genau nicht der Fall. Über die persönliche Auswahl der einzelnen Themen und Unternehmen kann man selbst bestimmen und vor allem jederzeit über seine App sehen, wie die Unternehmen agieren.
Was bedeutet für Sie ESG?
ESG steckt zunächst einmal die Themen bezüglich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung ab. Das bekannteste Thema ist sicherlich das Ausmass des CO2-Ausstosses. Wir sehen hier aber eine deutliche Weiterentwicklung: Aktuell rücken die Produkte und Dienstleistungen der Unternehmen in den Vordergrund und zwar hinsichtlich ihrer Auswirkungen – kurz: Impact. In den meisten Branchen entstehen in der Nutzungsphase der Produkte und Dienstleistungen die grössten Auswirkungen – sowohl negativ, z. B. Kohlestrom oder Verbrennungsmotoren, als auch positiv, z. B. Solarstrom oder Elektroautos. Und genau hier setzen wir an.
Gewichten Sie die einzelnen Bereiche im ESG unterschiedlich?
Je nach Branche, Herkunft und Grösse des Unternehmens gewichten wir die einzelnen Themen unterschiedlich, da hier das Risiko unterschiedlich gross ist. Ein Beispiel: Ein Software-Unternehmen hat in der Regel deutlich geringere Umweltauswirkungen als ein Hardware-Unternehmen. Dafür gibt es hier im sozialen Bereich aber erhebliche Risiken, die es zu managen gilt, wie zum Beispiel den Datenschutz.Generell steht bei unseren Impact Investoren, wie gesagt, thematisch das E im Vordergrund, das sie über ihr personalisiertes Portfolio selbst auswählen und gewichten.
Bezüglich ESG herrscht derzeit ein regelrechtes Regel-Wirrwarr. Wäre eine Vereinheitlichung aus Ihrer Sicht nicht sinnvoll?
Als erstes würde zunächst einmal mehr Transparenz über das jeweilige Angebot von nachhaltigen Investments helfen. Worin sind die Gelder angelegt und nach welchen Kriterien? Auf dieser Grundlage könnten die Verbraucher bereits besser entscheiden, was sie mit ihrem Geld bewirken wollen.
Ein zweiter Aspekt bei der Standardisierung sind momentan die fehlenden oder fehlerhaften Daten. Aber selbst wenn für alle relevanten Investitionen ausreichend Daten vorliegen, könnten diese unterschiedlich bewertet werden. Und hier gilt es dann wieder, die Methodik klar und transparent offenzulegen.
Was umfasst bei Ihnen die Definition der erneuerbaren Energien?
Wir zählen in erster Linie Solar und Wind zu den erneuerbaren Energien. Aber auch Biomasse gehört dazu. Wichtig ist hierbei allerdings, dass es sich um Rohstoffe wie Reststoffe und Abfälle biogenen Ursprungs handelt. Denn für sie sollte nicht etwa Primärwald abgeholzt werden oder eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelversorgung entstehen. Des Weiteren gibt es noch die Bereiche Geothermie und Wasserkraft. Letztere kann aus unserer Sicht aber je nach Grösse und Umfang sowohl aus Umwelt- als auch Menschenrechtsgesichtspunkten problematisch sein.
Welche erneuerbaren Energien besitzen die grössten Potenziale?
Das sind ganz klar Solar und Wind. Was hier besonders interessant ist, ist der Überschuss, der bei der produzierten Energie entsteht. Er kann durch die Umwandlung in Wasserstoff oder Gas gespeichert werden. So wiederum können zum Beispiel bestehende Infrastrukturen weiter genutzt werden.
Erlauben Sie mir eine steile These: Mit den Forderungen der Grünen, der Klimaaktivisten und auch der Impact Investoren, drängen wir die Politik in die Ecke und bremsen damit den technologischen Fortschritt, weil sich alles nur noch auf Weniges konzentriert. Was meinen Sie dazu?
Die Diskussion geht leider in eine falsche Richtung: Wir sind die grössten Optimisten, wenn es um technologischen Fortschritt geht, den wir dringend brauchen. Aber wir wissen, dass dieses viel Kapital erfordert. Das Kapital an die richtigen Stellen zu lenken, dabei geht es beim Impact Investing. In der Praxis finden wir leider noch viele Subventionen bzw. einen Fokus auf veraltete, ineffiziente und vor allem klimaschädliche Technologien, wie Verbrennermotor, Atomkraft oder LNG-Terminals.
Nachhaltige Finanzprodukte boomen seit einiger Zeit und sind mittlerweile in der Regel des Öfteren vergleichsweise teuer. Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr einer grünen Blasenbildung?
Der Trend, dass die Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen steigt, ist sehr positiv zu bewerten und eine grüne Blasenbildung sehen wir nicht. Das Risiko ist allerdings unterschiedlich hoch abhängig von der Anlageklasse. Während sich besonders bei Aktien, die einfache Nachhaltigkeitskennzahlen erfüllen, aufgrund der Marktgrösse eine Blase weniger abzeichnet, können strenger regulierte und institutionelle Anlageklassen wie Grüne Anleihen oder Projektfinanzierung, empfindlicher auf Nachfrageanstiege reagieren. Bei Letzteren ist die Gefahr einer Blasenbildung grösser – dennoch sehen wir auch hier eine erfreuliche Erhöhung des Angebots.
Zum Abschluss, welches Thema im Bereich der Nachhaltigkeit erachten Sie persönlich als das Spannendste?
Die sozialen Aspekte werden aus meiner Sicht oftmals unterschätzt, obwohl sie ebenfalls eine direkte Wirkung auf die Umwelt haben. Wenn es uns gelingt, mehr Diversität, Inklusion und Gleichheit – also wirkliche soziale Gerechtigkeit – hinsichtlich des Zugangs und der Chancen zu erreichen, dann können wir auch den dringend benötigten Wandel schaffen. Für den brauchen wir neue Führungskräfte, die das Gegenteil von denen sind, die uns in diese Krise(n) geführt haben.
Vielen Dank!
____
Andreas von Angerer ist als Head of Impact bei Inyova zuständig für alle Themen rund um Impact und Nachhaltigkeit. Inyova ist ein junges Unternehmen aus Zürich, das sich dem Impact INvesting verschrieben hat. Andreas von Angerer lebt derzeit in seinem Heimatland Deutschland und bringt kulturelle Erfahrungen aus Aufenthalten in Spanien, der Dominikanischen Republik, Burkina Faso und Ghana mit. Andreas hat einen Abschluss in Politikwissenschaften von der Ludwig-Maximillians Universität München und Universidad de Granada und war zuvor Leiter des Bereichs Ratings bei ISS ESG.