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payoff Michael Haupt Head Thematic Investment und AMCs bei Vontobel Wealth Management Interviews

Investieren in die Zukunft der US-Politik

07.08.2024 11 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Wir wünschen Ihnen viel Spass beim Hören:

Herr Haupt, Mitte Juli lancierte Vontobel Zertifikate auf das Wahlprogramm der Siegerpartei der US-Präsidentschaftswahlen. Vereinfacht gesagt: «Let’s get the job done» versus «America first». Was steckt hinter den beiden Zertifikaten?

In den USA gibt es seit über 160 Jahren faktisch ein Zweiparteiensystem, bestehend aus Demokraten und Republikanern. Dieses System könnte die Spaltung der US-Gesellschaft begünstigt haben. In der jüngsten Vergangenheit hat diese Spaltung zu extremeren Positionen innerhalb beider Parteien geführt, was wiederum die Aufstellung extremerer Präsidentschaftskandidaten und die Ausarbeitung deutlich differenzierterer Parteiprogramme begünstigt hat. Diese klaren Unterschiede in den Wahlprogrammen führen dazu, dass die von den Präsidentschaftskandidaten bevorzugten Industrien stark vom Wahlausgang beeinflusst werden können. Da der US-Präsident verhältnismässig breite Handlungsvollmachten besitzt, verstärkt sich der Einfluss der Präsidentschaftswahlen auf die Märkte zusätzlich.

Die beiden Zertifikate von Vontobel spiegeln die Wirtschaftsprogramme der beiden grossen Parteien wider. Das Tracker-Zertifikat auf den «Vontobel Democrat 2024 US Election Index» orientiert sich an den politischen und wirtschaftlichen Prioritäten der Demokratischen Partei, die typischerweise Sektoren wie erneuerbare Energien, Gesundheitswesen und Technologie unterstützt. Das Tracker-Zertifikat auf den «Vontobel Republican 2024 US Election Index» repräsentiert hingegen die Agenda der Republikanischen Partei, die oft fossile Brennstoffe, Verteidigung und traditionelle Industrien bevorzugt. Anleger können somit auf die erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen der jeweiligen Wahlergebnisse setzen und ihre Portfolios entsprechend ausrichten.

Der Startschuss fiel Mitte Juli und nun hat es einen Wechsel bei den Protagonisten gegeben. Joe Biden ist zurückgetreten und Kamala Harris ist an seine Stelle getreten. Inwieweit wirkt sich das auf die Zusammensetzung der Portfolios aus?

Die Ankündigung kam nicht unerwartet. Seit der ersten TV-Debatte sah Biden sich mit anhaltender Kritik an seiner Person konfrontiert, insbesondere hinsichtlich seiner «Fitness», das Land für weitere vier Jahre zu führen. Die Auswirkungen auf die Märkte sowie auf unsere Investment-Selektion dürften indes begrenzt bleiben. Die politische Agenda der Demokraten dürfte im Grossen und Ganzen trotz der Neunominierung unverändert bleiben. Erfahrungsgemäss sind die Themen der Wahlkampfprogramme stärker an die Partei als an die Person gebunden. Das liess auch Biden am Rande eines Wahlkampfevents durchblicken: «Der Name an der Spitze des Tickets hat sich geändert, nicht aber die Mission», so Biden. Der Einfluss auf die Investment Selektion im «Vontobel Democrat 2024 US Election Index» ist daher als gering einzuschätzen. Denn diese Selektion konzentriert sich gezielt auf Themen, bei denen innerhalb der Demokraten ein Konsens besteht. Dasselbe gilt auch für die Investment-Selektion im «Vontobel Republican 2024 US Election Index».

Wie entstand die Idee zu den beiden Zertifikaten?

Der grosse Einfluss der US-Präsidentschaftswahlen auf die Finanzmärkte rückt die Umfragewerte für die jeweiligen Präsidentschaftskandidaten in den Fokus der Investoren. Schon im Vorfeld der Wahlen lässt sich oft eine Divergenz in der Performance der Sektoren beobachten, die von den Präsidentschaftskandidaten voraussichtlich gefördert werden, abhängig von den Umfragewerten. Die aktuell engen Umfragewerte sprechen dafür, dass die Finanzmärkte derzeit noch keinen Sieger mit hoher Überzeugung einpreisen können. Dies sehen wir als Opportunität, sich mit gezielten Aktienengagements zu positionieren.

Auch die statistische Evidenz spricht dafür, dass eine Positionierung im Vorfeld der Wahlen im November attraktiv sein könnte. Seit den 1950er Jahren ist oft ein Anstieg der Aktienmärkte in Erwartung des Wahltags zu beobachten. Klarheit über den jeweiligen Präsidentschaftskandidaten scheint hierbei entscheidend zu sein, was in der Regel nach Abschluss der US-Vorwahlen gegeben ist. Ab Juni hat der US-Aktienmarkt seit 1950 in Wahljahren im Durchschnitt um circa 5% zulegen können. Diese historische Tendenz und die beobachteten Marktbewegungen bieten eine attraktive Grundlage für die Idee der beiden Zertifikate, die auf den Wahlprogrammen der Siegerpartei basieren.

Wie setzen sich die beiden Indizes zusammen? Wer sind die Gewinner bei einem Wahlsieg der Demokraten bzw. der Republikaner?

Zunächst müssen wir uns die Wahlprogramme der beiden Parteien ansehen, denn daraus werden jene Sektoren abgeleitet, die in den beiden Indizes vertreten sind. Grundsätzlich gibt es kaum Überraschungen bei den Unterschieden in den Parteiprogrammen der beiden Parteien. Heruntergebrochen auf Themenblöcke sehen wir grössere Divergenzen beider Programme in der Aussen-, Innen- und Klimapolitik.

Ein Vergleich der beiden Programme führt zu dem Schluss, dass die Umsetzung der politischen Agenda von Donald Trump – in alter republikanischer Tradition – ein unternehmensfreundlicheres Umfeld mit einem höheren Haushaltsdefizit und damit tendenziell höherer Inflation schaffen würde. Abgesehen von protektionistischen Massnahmen wäre dies ein tendenziell unterstützenderes Umfeld für die Märkte. Von einem Wahlsieg der Republikaner könnten daher Unternehmen aus den Sektoren fossile Energie, Verteidigung und traditionelle Industrien profitieren.

Auf der anderen Seite sorgt die Klimapolitik für eine klare Abgrenzung zwischen potenziellen Profiteuren von erneuerbaren und herkömmlichen Energiequellen. Das Programm der Demokraten legt grossen Wert auf den Ausbau erneuerbarer Energien und eine stärkere Regulierung herkömmlicher Energiequellen. Zudem legen aussenpolitische Ziele Performance-Unterschiede für Unternehmen mit hohem Umsatz im Ausland gegenüber dem Inland nahe. Innenpolitisch dürften unterschiedliche Regulierungsvorhaben und die Steuerpolitik stark regulierte Sektoren sowie von der Steuerpolitik betroffene Unternehmen beeinflussen. Bei einem Wahlsieg der Demokraten könnten somit Sektoren wie erneuerbare Energien, Gesundheitswesen und Technologie eine positive Performance zeigen.

Werden die einzelnen Positionen aktiv oder eher passiv gemanagt?

Die beiden Indizes werden aktiv von unseren Kollegen aus dem Vontobel Asset Management verwaltet. Durch den aktiven Ansatz kann unsere gesamte Expertise in die Auswahl der Unternehmen eingebracht werden. Insbesondere für das Thema der US-Wahlen ist es sehr wichtig, sich schnell auf sich verändernde Verhältnisse einzustellen. Das können sowohl wirtschaftliche als auch unternehmensspezifische Ereignisse sein, aber natürlich geht es in grossem Masse darum, auf politische Entwicklungen zu reagieren. Der aktive Managementansatz ermöglicht es uns, flexibel auf neue Informationen und sich ändernde Marktbedingungen zu reagieren, was in einem so dynamischen Umfeld wie den US-Wahlen von entscheidender Bedeutung ist.

Welcher Wahlausgang hätte Ihrer Meinung nach den grössten Einfluss auf die Märkte?

Auch hier lässt sich die Beobachtung mit statistischer Evidenz untermauern. So legte der US-Aktienmarkt in Präsidentschaftswahljahren seit 1872 im Falle eines republikanischen Gewinners durchschnittlich um 14% zu, gegenüber 7% im Falle eines demokratischen Gewinners. Dies deutet darauf hin, dass ein Wahlsieg der Republikaner tendenziell positivere Auswirkungen auf den Aktienmarkt haben könnte, was auf deren unternehmerfreundliche Politik und weniger strenge Regulierungen zurückzuführen ist.

Demgegenüber dürften Anleihen unter einem demokratischen Präsidenten ein höheres Potenzial aufweisen, insbesondere wenn es zu einem eher unwahrscheinlichen «Blue Sweep», also einem vollständigen Sieg der Demokraten in der Präsidentschaft, im Senat und im Repräsentantenhaus, kommen sollte. In einem solchen Szenario könnten umfangreiche Investitionen in Infrastruktur und Sozialprogramme sowie eine progressive Steuerpolitik Anleihen attraktiver machen, während gleichzeitig höhere Staatsausgaben und eine möglicherweise expansivere Geldpolitik die Renditen steigen lassen könnten.

Wie war das in der Vergangenheit? Gab es eine Outperformance der Sektoren je nach Wahlprogramm?

Während der Ausarbeitung der beiden Indizes wurden statistische Daten aus über 200 Jahren Wahlen analysiert. Historisch gesehen haben die US-Wahlen oft signifikante Auswirkungen auf verschiedene Sektoren der Wirtschaft, abhängig davon, welche Partei die Präsidentschaft und den Kongress kontrolliert. Die Outperformance bestimmter Sektoren kann stark von den wirtschaftlichen und regulatorischen Prioritäten der jeweiligen Partei abhängen. Hier sind einige Beispiele für historische Outperformance nach Wahlprogrammen:

  • Clinton-Ära (1993 -2001): Technologie und Gesundheitswesen profitierten stark während der 1990er Jahre, teilweise aufgrund des Wirtschaftsbooms und der technologischen Innovationen. Die Liberalisierung von Handelsabkommen und ein Fokus auf die Digitalisierung der Wirtschaft spielten hier eine Rolle.

  • Bush-Ära (2001-2009): Energieunternehmen, insbesondere Öl- und Gasfirmen, zeigten eine starke Performance, ebenso wie Verteidigungsunternehmen nach dem 11. September 2001. Die Politik der Republikaner unter George W. Bush förderte die fossile Brennstoffindustrie und erhöhte die Militärausgaben erheblich.

  • Obama-Ära (2009-2017): Erneuerbare Energien und das Gesundheitswesen entwickelten
    sich positiv, insbesondere nach der Einführung des Affordable Care Act. Obamas Fokus auf grüne Energie und Gesundheitsreform spiegelte sich in der Outperformance dieser Sektoren wider.

  • Trump-Ära (2017-2021): Finanzdienstleistungen, Energie und Verteidigung profitierten von Deregulierung und erhöhten Militärausgaben. Die Trump-Administration setzte auf eine Politik der wirtschaftlichen Deregulierung und Steuererleichterungen, die insbesondere grossen Unternehmen zugutekamen.

Diese historischen Trends zeigen, wie unterschiedlich die wirtschaftlichen und regulatorischen Prioritäten der jeweiligen Parteien die Performance verschiedener Sektoren beeinflussen können.

Es gibt jeweils eine Tranche in USD, EUR und CHF – jeweils nicht währungsbesichert. Gibt es dafür einen besonderen Grund? Wäre eine «nur» USD-Tranche nicht ausreichend gewesen? Wie hoch war die Nachfrage?

Die Lancierung der beiden Strategien erfolgte auf Basis von Indizes; ein Ansatz, den wir seit vielen Jahren erfolgreich verfolgen. Dadurch sind wir in der Lage, effizient neben der Indexwährung USD auch weitere Währungsklassen wie EUR und CHF anzubieten und somit auf verschiedene spezifische Kundenbedürfnisse einzugehen. Indem wir Tranchen in verschiedenen Währungen anbieten, können wir eine breitere Anlegerbasis ansprechen, die möglicherweise Präferenzen oder Anforderungen hinsichtlich ihrer lokalen Währungen hat.

Die beiden Indizes erfreuen sich beide starker Nachfrage. Wir konnten feststellen, dass die Volumina im Republican Index etwas höher ausgefallen sind. Ob das schon ein Indikator für den Wahlausgang ist, bleibt abzuwarten. Dieser breite Ansatz ermöglicht es uns, flexibel und kundenorientiert auf die unterschiedlichen Marktanforderungen und Währungspräferenzen unserer Investoren einzugehen.

Lohnt sich der Einstieg noch? 

Trotz der dynamischen Entwicklung und gewisser Tendenzen ist heute noch keineswegs sicher, wer der nächste US-Präsident wird. Der US-Wahlkampf dürfte die Schlagzeilen und damit die Aufmerksamkeit vieler Anleger bis in den Herbst 2024 dominieren. Im Fahrwasser des medialen Showdowns bereiten sich die Märkte bereits auf die Zeit «danach» vor. Denn unabhängig vom tatsächlichen Wahlausgang lassen sich aus den Wahlprogrammen bereits heute einige Auswirkungen und Tendenzen ablesen.

Somit können Investoren von den möglichen Preisbewegungen profitieren, Positionen in Sektoren aufbauen oder sich in Position bringen, um von erwarteten fiskalischen Massnahmen zu profitieren, die bestimmte Branchen fördern könnten. Die Marktbewegungen im Vorfeld der Wahlen und die potenziellen politischen Veränderungen nach der Wahl dürften bedeutende Chancen für Investoren bieten.

Immer häufiger wird ein Index als Basiswert verwendet, so auch hier. Warum werden die Aktien nicht direkt im Zertifikat gekauft?

Die zunehmende Verwendung eines Index als Basiswert für Zertifikate anstelle einer festen Allokation von Aktien in einem Basket kann auf mehrere Schlüsselfaktoren zurückgeführt werden. Ein Hauptgrund ist die grössere Flexibilität, die ein Index im Vergleich zu einem statischen Basket bietet. Indizes enthalten eine dynamische Auswahl von Aktien und ermöglichen so eine kontinuierliche Diversifikation, die das Risiko reduziert. Zudem können die Indexbestandteile schnell und einfach angepasst werden. Diese Flexibilität ist besonders in volatilen Märkten von Vorteil, in denen schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Indizes nicht an einen festen Mechanismus gebunden sind, sondern diskretionär verwaltet werden können. Dies bedeutet, dass die Indexmanager die Zusammensetzung des Index regelmässig überprüfen und anpassen können, um die besten Chancen zu nutzen und auf Marktveränderungen zu reagieren. Diese Fähigkeit zur aktiven Verwaltung ermöglicht es, Marktsituationen schneller widerzuspiegeln und anzupassen, was die Effizienz und Effektivität der Anlage erhöht. Indizes können somit aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen und Markttrends besser abbilden, was sie zu einem attraktiven Basiswert für Zertifikate macht.

Vielen Dank!

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Michael Haupt
Distribution AMC and Thematic, Vontobel

Michael Haupt hat einen Masterabschluss in European Management (M.A.) und absolvierte den Lehrgang zum Certified International Investment Analyst (CIIA). Seit 2010 arbeitet er für die Bank Vontobel AG in verschiedenen Positionen in Zürich und Hong Kong. Seine berufliche Laufbahn startete er bei der Partners Group in Zug. Michael beschäftigt sich mit der Entwicklung und dem Vertrieb von Thematischen Investments, bei denen Vontobel zu den führenden Anbietern zählt. Thematisches Anlegen setzt auf Zukunftstrends. Mit anderen Worten: Anleger sollten von einigen der grössten Veränderungen der Menschheit profitieren können.

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