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payoff Interviews

Keine Ausweitung der bereits sehr hohen Gewinnmargen

03.03.2022 6 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Herr Geissbühler, ist die Schweiz eine Insel der Glückseligkeit was die Inflation betrifft oder weshalb ist die Teuerung bei uns so niedrig?
Ja, der Inflationsdruck ist hierzulande deutlich niedriger als in Europa, den USA oder in vielen Schwellenländern. Dafür gibt es primär zwei Gründe: Erstens unterscheiden sich die Warenkörbe der verschiedenen Länder. In der Schweiz machen die Gesundheitskosten sowie die Mieten einen grossen Teil aus und diese Preiskomponenten sind zuletzt nur moderat angestiegen. Zudem ist der Energieanteil verglichen mit dem Ausland geringer. Zweitens wirkt der notorisch starke Schweizer Franken inflationsdämpfend. Die Importe werden dadurch (währungsbereinigt) günstiger.

Welche Schweizer Unternehmen haben Sie mit Ihren Jahreszahlen 2021 positiv und welche negativ überrascht?
Positiv überrascht haben die Luxusgüterkonzerne Richemont und Swatch, welche beide die Erwartungen klar übertreffen konnten. Eher enttäuschend fiel das Zahlenset von Roche aus. Und die Credit Suisse verfehlte gar die bereits im Vorfeld deutlich reduzierten Erwartungen.

Sie rechnen für das Jahr 2022 mit einem durchschnittlichen weltweiten Gewinnwachstum von rund 7%. Welche Erwartungen haben Sie diesbezüglich für die Schweizer Unternehmen?
Die 7% entsprechen in etwa dem nominellen globalen Wirtschaftswachstum für 2022. Da die meisten Schweizer Unternehmen global aufgestellt sind, gehen wir von einem ähnli- chen Gewinnwachstum aus. Dies impliziert aber auch, dass wir keine weitere Auswei- tung der bereits sehr hohen Gewinnmargen erwarten.

Was sind die grössten Risiken für den Schweizer Aktienmarkt?
Neben dem Ukraine-Krieg gehen die grössten Risiken von der globalen Geldpolitik aus. Die bevorstehende Zinswende stellt einen Gezeitenwechsel dar. Grundsätzlich haben die Finanzmärkte in den vergangenen Jahren enorm von der Geldflut der Notenbanken profitiert. Die Bewertungen fast aller Anlageklassen sind entsprechend angestiegen. Nun wird der Rückenwind zunehmend zum Gegenwind. Anleger sollten sich bewusst sein, dass die Aussage «Don’t fight the Fed» in beide Richtungen gilt.

Die Titelselektion ist im Jahr 2022 wieder verstärkt von Bedeutung. Was heisst das für den Schweizer Aktienmarkt?
Die Spreu dürfte sich im laufenden Jahr noch stärker vom Weizen trennen. Von der Selektion her würden wir den Fokus auf «Qualität zu einem vernünftigen Preis» (QARP) legen. Auch auf eine attraktive Dividendenrendite sollte geachtet werden. SMI-Titel welche in dieses Raster passen sind Novartis, Holcim und Swiss Life.

Was spricht dafür, dass die seit 2016 im Vergleich zum Weltaktienmarkt kontinuierlich schwächere Performance des Swiss Market Index ein Ende findet?
Die bessere Entwicklung des Weltaktienindex ist primär auf die sehr starke Performance der grossen US-Techwerte zurückzuführen. Diese Wachstumstitel waren die eigentlichen Gewinner der Tiefzinspolitik der Notenbanken. Da nun die geldpolitische Wende vor der Türe steht, dürfte dieser Trend ein Ende finden. Längerfristig spricht vieles für Schweizer Aktien. Seit der Jahrtausendwende hat der Swiss Market Index (SMI) um jährlich 4.8% zugelegt, gegenüber einem Plus von nur 3.3% pro Jahr beim MSCI World Index. Wobei die Währungskomponente, sprich der starke Schweizer Franken, einen wichtigen Beitrag geliefert hat. Strukturell dürfte sich daran auch in Zukunft wenig ändern.

« Für dieses Jahr rechnen wir aber auch an der hiesigen Börse mit einigen attraktiven Neuzugängen.»

Welche drei Schweizer Titel ausserhalb des SMI besitzen in den kommenden zwölf Monaten überdurchschnittliche Kurschancen und warum?
Interessant sind Barry Callebaut, Swatch und Gurit. Der Schokoladenproduzent kann dank seinem Cost-Plus-Preismodell die steigenden Rohstoffpreise 1:1 weitergeben und damit seine Margen schützen. Zudem werden sich die weltweiten Corona-Lockerungsmassnahmen positiv auf das Gourmet-Geschäft (Belieferung der Gastronomie) auswirken. Swatch profitiert von der hohen Nachfrage nach Luxusgütern. Zudem hat der Konzern die Kostenbasis deutlich reduziert und ist schuldenfrei. Im Vergleich zu den Peers im Luxusgütersegment ist die Bewertung attraktiv. Gurit hatte zuletzt mit Gegenwind zu kämpfen. Aufgrund auslaufender Subventionen für Windenergieprojekte in China, sind die Bestellungen deutlich zurückgegangen. Ein Erreichen der Klimaziele 2050 ohne massive Investitionen in alternative Energien wird aber unmöglich sein. Gurit wird von dieser Entwicklung profitieren.

Als Chartered Market Technician dürften sie auch markttechnische Überlegungen mit einbeziehen. Welcher Schweizer Titel könnte, losgelöst von den fundamentalen Faktoren, allein aufgrund der Markttechnik in den kommenden Monaten positiv überraschen?
Grundsätzlich stellt die Charttechnik eine wichtige Ergänzung zur Fundamentalanalyse dar. Die besten Resultate liefert oft eine Kombination der beiden «Disziplinen». Rein charttechnisch betrachtet sehen aktuell Titel wie Flughafen Zurich, Implenia sowie diverse Versicherungswerte (Swiss Life, Zurich Insurance) attraktiv aus.

Eine steigende Anzahl an Schweizer Unternehmen kotieren ihre Aktien im Ausland. Auf was führen Sie diesen Trend zurück?
Der Entscheid für einen Börsenplatz hat immer verschiedene Gründe. Da die Bewertungen am US-Aktienmarkt aktuell höher sind, versprechen sich Unternehmen dort einen höheren Erlös als bei einer Kotierung an der Schweizer Börse SIX. Zudem gehören auch strategische Überlegungen (Absatzmärkte) sowie Marketingaspekte dazu. Für dieses Jahr rechnen wir aber auch an der hiesigen Börse mit einigen attraktiven Neuzugängen.

Wie deckt die Bank Raiffeisen in ihren Vermögensverwaltungsportfolios in der Regel den Aktienmarkt Schweiz ab?
Bei grösseren Portfolios wird der Schweizer Aktienanteil mit einem Core-Satellite-Ansatz abgedeckt. Neben einem kostengünstigen ETF auf den SPI als Grundbaustein, werden je nach Anlagestrategie zwischen 15 und 25 Einzeltitel beigemischt. Als Schweizer Bank fokussieren wir uns bei der Einzeltitelselekti- on auf den heimischen Markt. Ausländische Aktien decken wir hingegen ausschliesslich mit Kollektivanlagen (nach einem Best-in-Class Ansatz) ab.

Welchem Tracker-Zertifikat der Bank Raiffeisen mit Bezug zum Schweizer Aktienmarkt räumen Sie in den nächsten zwölf Monaten die grössten Chancen ein und warum?
Als Beimischung ist das Tracker-Zertifikat Top Pick CH zu erwähnen. Das Zertifikat wird von Raiffeisen Schweiz aktiv verwaltet (AMC) und enthält die jeweiligen Top Picks aus den acht wichtigsten GICS Sektoren.

Wo steht der SMI Ende 2022?
Grundsätzlich machen wir keine Punktprognosen. In unserem Jahresausblick von Mitte Dezember haben wir für 2022 einen Total Return (inkl. Dividenden) im mittleren einstelligen Bereich in Aussicht gestellt. Daraus lässt sich ein Indexstand von rund 13’000 Punkten ableiten.

Vielen Dank!

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Matthias Geissbühler wurde 1975 in Bern geboren. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen folgten Tätigkeiten bei verschiedenen Banken im Bereich Aktienresearch sowie Portfolio- und Fondsmanagement. 2010 übernahm er die Leitung der Anlagestrategie bei der Bank La Roche in Basel und verantwortete diesen Bereich auch nach dem Zusammenschluss mit der Bank Notenstein. Seit Oktober 2018 ist Matthias Geissbühler als Chief Investment Officer (CIO) für die Anlagepolitik von Raiffeisen Schweiz verantwortlich. Geissbühler hält einen Abschluss als lic. oec. HSG sowie die Titel Chartered Financial Analyst (CFA) und Chartered Market Technician (CMT).

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