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payoff Interviews

Preissteigerungen konnten bisher gut weitergegeben werden.

01.06.2023 6 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Herr Althaus, der Lebensmittelsektor zeigt an der Börse eine langfristige Outperformance: Was sind Ihrer Ansicht nach die Stärken der Branche?
Getrunken und gegessen wird immer: Unabhängig von der konjunkturellen Lage entwickeln sich die Umsätze in der Branche relativ stetig und vorhersehbar. Veränderungen im Konsumentenverhalten vollziehen sich in der Regel über längere Zeiträume, so dass den Nahrungsmittelherstellern ausreichend Zeit zur Verfügung stehen sollte, sich auf diese geänderten Bedürfnisse einzustellen und neue Produkte zu entwickeln und anzubieten. Hier sind zum Beispiel all die neuen pflanzenbasierten Fleischalternativen zu nennen. NeueTrends zu erkennen und auf echte nachhaltige Konsumveränderungen zügig reagieren zu können unterscheidet dann die erfolgreichen von den weniger erfolgreichen Unternehmen am Markt. Dafür müssen Unternehmen aber auch bereit sein, fortlaufend in Forschung & Entwicklung zu investieren. Auch die Fähigkeit, während Krisen wie der Coronapandemie flexibel reagieren zu können gehört dazu. Denken Sie nur daran, wie viele Konsumenten von einem Tag auf den anderen ihre Produkte nicht mehr im Geschäft, sondern im Internet kaufen wollten. Solche Krisen wirken häufig als Katalysator für eine Entwicklung, die sich normalerweise über Jahre hingezogen hätte.

Und wo liegen die grössten Herausforderungen?
Aktuell ist sicherlich das gestiegene Kostenumfeld eine der grössten Herausforderungen. Normalerweise sehen wir einen Kostenanstieg in dem ein oder anderen Bereich, aber über die letzten ein bis zwei Jahre haben wir in allen Bereichen einen synchronen Anstieg der Kosten erlebt. Neben den Rohstoffkosten sind insbesondere die Energie- aber auch die Lohnkosten deutlich angestiegen. Diese Kostensteigerung findet wiederum ihren Niederschlag in den höheren Einkaufspreisen für den Einzelhandel, der bei Weitergabe an den Endverbraucher um seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Eigenmarken oder dem Discounter fürchtet. 

Was spricht im aktuellen Umfeld für ein Engagement in diesem Sektor?
Gerade in dem Umfeld einer sich verlangsamenden wirtschaftlichen Aktivität, setzen viele Investoren auf die stabile Geschäftsentwicklung der Branche. Preissteigerungen konnten bisher gut weitergegeben werden, ohne dass dies zu einer Konsumzurückhaltung geführt hat. Die Margen sind weiterhin relativ stetig und die Gewinne sollten sich positiv entwickeln. Allerdings muss die hohe Bewertung im Auge behalten werden.

Gibt es Teilbereiche, die Sie als besonders aussichtsreich einschätzen?
Grundsätzlich fokussieren wir uns auf Unternehmen mit einer sehr guten Marktpositionierung. Das heisst, dass das Unternehmen entweder Nummer 1 oder Nummer 2 in dem jeweiligen Segment ist oder das Potenzial aufweist, diese Stellung irgendwann zu erreichen. Darüber hinaus sollte das Unternehmen, wenn möglich, global diversifiziert sein mit einem nicht zu kleinen Anteil von Emerging Markets, um auch das zukünftige Wachstum zu gewährleisten. Ferner setzen wir auf eine hohe Innovationskraft und einen hohen Anteil von Premiumprodukten, die positiv zur Margenentwicklung beitragen sollten. Im aktuellen Umfeld bevorzugen wir konkret Werte, die in einem rezessiven Umfeld unterdurchschnittlich in Mitleidenschaft gezogen werden sollten. Hier wären Softdrinks oder auch Schokoladen- und Snackhersteller zu nennen.

In einem ausgewogenen Portfolio, wie hoch muss der Anteil der Nahrungsmittel-
industrie sein?

Das hängt klar von den individuellen Präferenzen und der individuellen Risikobereitschaft eines jeden Investors ab. Ich persönlich habe immer einen guten Teil meines Portfolios als Basisinvestment im Bereich der nicht zyklischen Konsumwerte investiert.

Verraten Sie uns Ihren Branchenfavoriten?
In unseren Portfolien setzen wir immer auf eine breite Streuung und zu unseren Favoriten gehören derzeit die grossen internationalen Unternehmen in Europa aber auch in den USA. 

Nestlé und Co. haben auch mit Herausforderungen wie dem Klimawandel und den sich verändernden Essgewohnheiten zu kämpfen: Finden die grossen Konzerne Ihrer Ansicht nach hierfür die richtigen Lösungen?
Möglicherweise sind die grossen Konzerne nicht die Ersten, die einen Trend entdecken.Allerdings verfügen sie meist über sehr tiefe Taschen, um die notwendige Forschung und Entwicklung finanzieren zu können. Mit einer simplen Idee ist es häufig nicht getan. Produkte und Rezepturen müssen teilweise über Jahre entwickelt werden. Man ist auch nicht immer beim ersten Versuch erfolgreich, es kommt zu Fehlschlägen und man muss wieder von vorne anfangen. Am Ende sollte ein Produkt stehen, das die Erwartungen der Konsumenten erfüllt, einzigartige Produkteigenschaften hat, hohe Qualitätsstandards erfüllt und zudem auch noch hervorragend schmeckt. Nicht selten können grössere Konzerne kleine Unternehmen mit innovativen Ideen und Produkten übernehmen und diese weiterentwickeln.

Bezüglich des Klimawandels denken wir, dass mit der Grösse des Unternehmens auch eine höhere Verantwortung einhergehen sollte. Die grossen internationalen Unternehmen sollten daher als Vorbild dienen und Entwicklungen vorantreiben, um tatsächlich etwas zu bewegen. Wer bei dieser Entwicklung nicht mitmacht, bleibt nicht konkurrenzfähig und wird irgendwann abgeschlagen allein dastehen. Es stellt sich nicht die Frage, ob man sich engagiert, sondern wie schnell und wie stark. Im Zweifel wird der Kunde das entscheiden.

Wie wichtig ist ESG im Bereich der Nahrungsmittel?
ESG ist bereits sehr wichtig und wird von Tag zu Tag wichtiger. Wir nehmen jeden Tag Nahrungsmittel zu uns und der Konsument informiert sich immer aktiver über die nachhaltigen und ethischen Rahmenbedingungen unter denen Güter hergestellt werden. Wer sich hier nicht bemüht einen möglichst hohen Standard anzustreben, wird langfristig nicht zu den Gewinnern gehören. Bei einem nahezu vergleichbaren Produkt und einem möglicherweise nur moderaten Preisaufschlag, wird sich der Kunde mit grosser Wahrscheinlichkeit zukünftig für das nachhaltigere Produkt entscheiden. 

Was empfehlen Sie einem potenziellen Schweizer Anleger, der sich in diesem Bereich engagieren möchte?
Auf eine globale Diversifizierung zu achten, sowohl in den etablierten als auch in den aufstrebenden Volkswirtschaften. Neben dieser geografischen Risikostreuung sollten die Unternehmen auch über verschiedenste Kategorien und Segmente verfügen. Zudem sollten Engagements nur auf mittlere bis langfristige Sicht eingegangen werden.

Eine private Frage zum Abschluss: Was darf an einem perfekten Grillabend nicht fehlen?
Neben meiner Familie, guten Freunden, einem Glas Chianti darf für mich persönlich das klassische Grillwürstchen auf keinen Fall fehlen.

Vielen Dank!

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Marc Althaus, ist Fondsmanager im globalen Equity Income Team der DWS für die er seit 2016 als Fondsmanager tätig ist. Neben seiner Verantwortung für die europäische Dividendenstrategie, ist er zudem verantwortlich für das globale Aktienresearch im Bereich nicht-zyklischer Konsumwerte. Darüber hinaus ist er mitverantwortlich für die globale Agribusiness-Strategie. Althaus beschäftigt sich bereits seit 20 Jahren intensiv mit der Analyse von Nahrungsmittel- und Getränkeherstellern und hat in diesem Bereich eine umfassende Expertise aufgebaut. Er steht kontinuierlich im direkten Austausch mit führenden Unternehmen und Analysten der Branche.

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