«Unsere Pipeline ist gut gefüllt.»
-
Martin Raab
André Buck, Head Sales, SIX Swiss Exchange im Gespräch über rasantes Wachstum bei Finanzprodukten, keiner Spur von Börsennostalgie und der Einsicht, dass nicht jedes Produkt ein Erfolg sein muss.
Herr Buck, SIX hat nicht nur ihren physischen Stand-ort verändert, auch in den Geschäftsfeldern herrscht Dynamik. Das ETF-Segment ist eines der wichtigen Zugpferde …
… an dem wir, seit der Einführung 2001, sehr viel Freude haben. Zu Beginn noch deutlich hinter den Strukturierten Produkten, kam der erste grosse Umsatzschub nach 2008 wo sich die beiden Segmente umsatzmässig kreuzten. 2009 liessen die ETFs mit rund CHF 50 Mrd. Handelsvolumen den Umsatz der Strukturierten Produkte, der sich auf knapp CHF 40 Mrd. belief, deutlich hinter sich.
Wo steht SIX Swiss Exchange beim ETF-Umsatz im europäischen Vergleich?
Gemäss einer unabhängigen Marktanalyse liegt unser Anteil bei rund 12% des gesamten europäischen ETF-Handelsvolumens – damit sind wir unter den Top 4 ETF-Handelsplätzen in Europa. Das ist angesichts der Dominanz von London, mit über 50% des Volumens, sehr respektabel. Wir konnten das Segment in den letzten Jahren stetig weiterentwickeln und sind auch für die kommenden Jahre zuversichtlich. Sicherlich auch, weil wir in Kürze namhafte neue ETF-Emittenten erwarten.
Ist der Börsenhandel im Bereich der Strukturierten Produkte gerade in Zusammenhang mit Structuring Plattformen und Massschneiderei zunehmend Nostalgie?
Davon kann keine Rede sein – seit jeher bietet die Börse Transparenz, effiziente Abwicklung und Vergleichbarkeit im Sekundär handel an; dieser Nutzen ist heute wie auch in Zukunft für den Anleger von grosser Bedeutung. Die genannten Plattformen hingegen fungieren als Preisfindungstools im Primärmarkt und ergänzen damit die Angebote der Börse. Wir beobachten aber seit längerem, dass aufgrund des herausfordernden Marktumfeldes Produkte bevorzugt werden, bei welchen ein Sekundärhandel keinen wesentlichen Anlegernutzen stiftet und somit der Gang an die Börse wegfällt.
Welche Trends im Bereich Strukturierte Produkte erkennen Sie?
Die Stärke der Strukturierten Produkte besteht ja darin, schnell und effizient aufkommende Anlagethemen in ein Produkt zu verpacken und dem Anleger zur Verfügung zu stellen, oder auch Zusatzrendite gezielt in seinem Portfolio einzusetzen. Diese Bedürfnisse haben sich über die Jahre kaum verändert – was wir jedoch sehen, ist eine Veränderung in den einzelnen Produkttypen: so hat sich die Anzahl der gelisteten Kapitalschutzprodukte über die letzten zwei Jahre praktisch halbiert. Im Gegenzug ist die Anzahl der BRCs um über 20% angestiegen – dies klar als Folge des Marktumfeldes.
Was ist die Antwort von SIX auf die neue US- Quellensteuer auf Dividendenpapiere, subsummiert als Paragraf 871m?
Als Infrastrukturanbieter arbeiten wir eng mit dem Verband SVSP und weiteren Industrievertretern zusammen um die Anforderungen der FACTA-Regulierung zu erfüllen. Dabei ist von Vorteil, dass SIX hier eine führende Rolle einnimmt. Konkret heisst dies, dass unsere Schwesterdivision SIX Financial Information in der Lage ist, entsprechende Finanzprodukte zu markieren, zur Zeit sind dies bereits über 800’000, und diese via Valorendatenfeed direkt den Schweizer Banken einzuliefern; zusätzlich werden mit dem Referenzdatentool CONNEXOR den Emittenten weitere Datenfelder zur Verfügung gestellt. Geplant ist auch eine Reporting-Funktion, das sogenannte Dividend Equivalent Payment, um dem Schweizer Finanzplatz eine umfassende Lösung zur Verfügung zu stellen.
Eine gelungene Symbiose sind die Tracker-Zertifikate auf die SIX Faktor-Indizes. Eine einmalige Sache oder Blueprint für künftige Projekte?
Ziel eines jeden Produktes ist der Nutzen für den Anleger und Marktteilnehmer – dies ist die Motivation, jeden Tag aufs Neue Ideen und Innovationen zu prüfen und am Markt zu testen. Dies gelingt – das ist kein Geheimnis – nicht bei jedem Ver-such. Aber unsere Pipeline ist gut gefüllt und ich bin zuver-sichtlich, dass wir zeitnah mit weiteren spannenden Services aufwarten können.
Welche Sichtweise hat SIX beim kontrovers diskutierten Themenkomplex «Robo-Advice» und digitale Vermögensberatung?
Mit unserem Inkubator F10 sind wir aktiv und an vorderster Front dabei Innovationen als Opportunitäten wahrzunehmen. So bietet SIX im Daten- wie auch im verändertem regulatorischen Umfeld Dienstleistungen an, die Grundlage für neue innovative Lösungen sind, dazu zählen auch Ansätze im Bereich Robo-Advice. Die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse bringen verschiedene Tools und Plattformen zu Tage – was sich durchsetzen wird, ist offen.
«Wir sind unter den Top 4 ETF-Handelsplätzen in Europa.»
Abschliessend, welche Wachstumserwartung haben Sie für das ETF- und das Struki-Segment bei SIX?
In Bezug auf die verwalteten Vermögen in ETFs erwarten Marktexperten in Europa jährliche Wachstumsraten von über 15%. In den nächsten drei Jahren würden die Assets dann auf über CHF 1’000 Mrd. steigen. Ich schätze das Potenzial sogar noch höher ein, da Anleger und auch Banken erst jetzt vermehrt auf ETFs umsteigen. Bei den Strukis sehe ich dank kleinen aber wichtigen Anpassungen und Effizienzsteigerungen bei SIX positives Wachstum in Bezug auf die Anzahl gelistete Produkte wie auch im Handelsvolumen. Im Gegensatz zu den ETFs wird aber das Marktumfeld – vor allem Zinsen und Volatilität – einen grösseren Einfluss auf die Entwicklungsgeschwindigkeit haben.
Vielen Dank!
VITA
André Buck ist als Head Sales verantwortlich für die Betreuung, den Vertrieb von Services und Produkten sowie die Akquisition von Börsenteilnehmern über sämtliche Produktklassen innerhalb SIX Swiss Exchange. Zur damaligen Börse für Strukturierte Produkte stiess er im August 2009 als Head Sales & Marketing. Nach 14 Jahren Erfahrung im Bereich Trading für Aktien, Wandelan leihen und Derivaten bei der UBS in Zürich und London, wechselte André Buck im Jahre 2000 zur Zürcher Kantonalbank, wo er führend war im Aufbau des Verkaufs- und Handelsteams für Strukturierte Produkte. André Buck ist seit Herbst 2016 Vorsitzender der Kommission für Strukturierte Produkte und seit 2017 Jurymitglied der Swiss Derivative Awards.