Wenn die Zinsen wieder sinken, könnte dies zu einer höheren Nachfrage nach Gold führen.
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Serge Nussbaumer
Chefredaktor
Das Interview nicht nur als Text, sondern auch als Audiofile. Hören Sie rein:
Martin Grollimund, der Zinsanstieg in den USA sowie der stärkere US-Dollar erwiesen sich zuletzt als Spielverderber bei Gold. Welcher Katalysator könnte bei den Anlegern zu einem Umdenken führen?
Generell wird Gold in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und Krisen nachgefragt. Wenn wir die letzten 15 Jahre betrachten, hatten wir 2008 die globale Finanzkrise, gefolgt von der Euro-Schuldenkrise. In der jüngeren Vergangenheit waren die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine prägende Ereignisse. Bei all diesen Ereignissen war die Nachfrage nach Gold enorm hoch und es wurde vor allem in Form von Münzen und Barren gekauft. Die physische Form war also besonders gefragt. Zusätzlich haben wir kurz die Zinsen erwähnt: Es scheint, dass wir den Höhepunkt der Zinsen erreicht haben. Wenn die Zinsen nun wieder sinken, könnte dies zu einer höheren Nachfrage nach Gold führen.
In Ländern mit zur Schwäche neigenden Wechselkursen, wie etwa Japan, befindet sich Gold seit Monaten im Höhenflug. Schwappt dieser Trend in die Schweiz über, zumal die Zinsdifferenz zu den USA tendenziell weiter zunimmt und wenn ja, empfiehlt es sich eine Währungsabsicherung vorzunehmen beim Kauf von Gold?
Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, eine Absicherung vorzunehmen, da der Schweizer Franken wahrscheinlich in Zukunft nicht schwächer werden wird und weiterhin eine sehr starke Währung bleiben wird. Auf der anderen Seite wird Gold international gegen den US-Dollar gehandelt, und wenn wir es im Vergleich zum Schweizer Franken betrachten, müssen wir auch den Wechselkurs zwischen dem US-Dollar und dem Schweizer Franken berücksichtigen. Im FX-Markt gibt es die Beobachtung, dass, wenn der Goldpreis steigt, der Dollar tendenziell fällt und umgekehrt. Daher ist es nicht notwendig, sich mit dieser negativen Korrelation abzusichern. Eine Absicherung ist auch immer kostspielig und man verzichtet dabei auf Renditechancen.
Gold befindet sich seit August 2020 in USD und CHF in einer ausgedehnten Seitwärtsphase. Sehen Sie eine Trendwende nach oben oder unten in den kommenden zwölf Monaten?
Aufgrund der anhaltenden Inflation, der konjunkturellen Unsicherheit und der geopolitischen Lage gehen wir davon aus, dass der Goldpreis in den nächsten drei Monaten wieder über 2’000 USD/oz steigen wird. Auf ein Jahr betrachtet erwarten wir sogar einen Anstieg auf über 2’070 USD/oz, was das bisherige All-Time-High ist, das wir bereits zweimal in den letzten fünf Jahren gesehen haben. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass die Notenbanken weiterhin aktiv am Markt Gold kaufen werden, was den Preis weiterhin unterstützen wird.
Welche Risiken birgt das von Ihnen geschilderte Szenarium?
Es sind wiederum die Zinsen. Wir haben in Amerika Zinsen von über 5%. Wenn man in die Sicherheit investieren will, kann man auch Staatsanleihen kaufen. Im jetzigen Umfeld bekommt man wieder einen Zins, was beim Gold nicht der Fall ist.
Im November 2021 hat Raiffeisen den ETF Solid Gold Responsibly Sourced & Traceable aufgelegt. Wie kam es dazu?
Raiffeisen hat Vorsorge- und Anlegebereich seit vielen Jahren eine breite Palette nachhaltiger Produkte. Im Jahr 2019 haben wir einen Sustainability Bond eingeführt. Nun wollten wir prüfen, wie wir Goldprodukte verantwortungsvoller gestalten können. Gemeinsam mit unserem Partner, der Schweizer Raffinerie «Argor Heraeus» und weiteren Stakehodler, haben wir den Ansatz «Responsibly Sourced & Traceable» entwickelt. Mittlerweile stellen wir alle unsere eigenen Raiffeisen-Barren nach diesem Ansatz her. Wenn ein Kunde zu einer Raiffeisenbank kommt, erhält er einen Barren mit dem Raiffeisen-Zeichen, der «Responsibly Sourced & Traceable» ist. Im Jahr 2021 haben wir uns auch an institutionelle Anleger gewandt, da wir auch in diesem Sektor eine Nachfrage gespürt haben. Wir haben einen «Responsibly Sourced & Traceable» ETF eingeführt, der mit physisch hinterlegten 1-Kilo-Barren ausgestattet ist.
Die Marktnische der Edelmetalle ist punkto Nachhaltigkeit nicht gerade ein Musterknabe. Welche Schritte wurden in der jüngeren Vergangenheit gemacht?
Wir haben bewusst vermieden, das Wort «nachhaltig» zu verwenden, da es in der gesamten Goldproduktion nicht möglich ist, nachhaltig zu sein. Das liegt daran, dass wir etwas aus dem Boden entnehmen, das nicht «nachwächst».Aus diesem Grund haben wir uns für einen transparenten und verantwortungsvollen Ansatz entschieden. Unser Hauptaugenmerk liegt auf Investitionen in den Kleinbergbau, insbesondere im sogenannten ASM (Artisanal- und Small-Mining-Sektor). Wir bemühen uns, diese Bergbauern zu unterstützen, indem wir ihr Gold zu fairen Preisen kaufen. In Zusammenarbeit mit Swiss Better Gold und dem SECO tragen wir auch dazu bei, dass der informelle Sektor in einen formellen Sektor überführt wird.
Was war der entscheidende Treiber für die Lancierung? Das Thema, das Potenzial in der Goldpreisentwicklung oder eine Mischung aus Beidem?
Die Strategie von Raiffeisen ist eindeutig darauf ausgerichtet, Nachhaltigkeit zu fördern. Wir haben deshalb überprüft, wie wir unsere Verantwortung in Bezug auf die Goldprodktion noch besser wahrnehmen können. Dies begann mit der Umstellung der Kleinstbarren bis hin zu Kilobarren für die Raiffeisenbanken und erreichte schliesslich ihren Höhepunkt, als wir in der Lage waren, diesen ETF einzuführen.
Bei Traceable kann ich mir etwas vorstellen, können Sie kurz schildern was die Raiffeisen unter «responsibly sourced» versteht?
Zunächst möchte ich auf die Traceability eingehen. Es ist von grosser Bedeutung, dass wir, wenn wir sagen, dass das Gold verantwortungsvoll beschafft wurde, dies auch bestätigen können. Es ist wichtig, dass das Gold, das wir als verantwortungsvoll beschafft bezeichnen, auch tatsächlich das ist, was der Kunde kauft (Die Herkunft des Goldes kann anhand der Barrennummer rückverfolgt werden). Dies beginnt damit, dass wir die Minen und die anderen Lieferkettenpartner kennen wollen. Transporteure sollen das Gold, das in der Mine abgebaut wird, bei der Raffinerie auch tatsächlcih abliefern, damit es in unsere Barren verarbeitet werden kann. Wir haben auch Kriterien formuliert. Bei den grossen Minen achten wir beispielsweise darauf, dass sie Mitglied der Principles for Responsible Gold Mining sind. Natürlich steht die LBMA über allem, da wir nur mit LBMA-akkreditierten Raffinerien zusammenarbeiten.
Bei Responsible geht es neben der Transparenz und den erwähnten Kriterien auch darum, dass wir auch von Kleinminen, dem sogenannten ASM-Sektor, Gold beziehen und dies unterstützen. Wie ich bereits erwähnt habe, möchten wir ihnen helfen, einen Teil ihrer Produktion in unsere Barren einzubringen. Es ist nur schwer möglich, einen Barren mit 100% ASM-Gold zu produzieren, da die Kapazitäten dafür nicht vorhanden sind.
… und wie überprüfen Sie das Ganze?
Wir kooperieren mit verschiedenen externen Partnern, darunter auch der Argor Heraeus im Tessin. Für den Bezug von ASM Gold arbeiten wir eng mit der Swiss Better Gold Association zusammen. Zudem ist auch das SECO involviert. Dies emöglicht es, mit den Ländern, aus denen das ASM-Gold stammt, auch auf offizieller Ebene einen Dialog zu führen und so Verbesserungen anzuregen.
Responsibly Sourced & Traceable kostet ja auch immer etwas. Von wie viel sprechen wir da?
Beim Kauf eines 1-Kilo-Barrens zahlt der Käufer einen Aufpreis pro Kilo von ca. 0.50%, der bereits im Spread enthalten ist. Der Spread ist jedoch deutlich geringer. Wenn der Käufer den Barren wieder verkauft, erhält er je nach Marktsituation einen gewissen Betrag zurück.
Die Zusammenstellung gestaltet sich folgendermassen: Auf der einen Seite haben wir die normale Produktion des Barrens. Auf der anderen Seite haben wir das teurere Gold aus den Kleinminen in Kolumbien und Peru, mit denen wir jetzt zusammenarbeiten. Das Gold wird nicht in grossen Mengen angeliefert, sondern kommt in unterschiedlichen Mengen von 20, 10 oder 5 Kilo. Das Gold wird in der Raffinerie gelagert, bis wir genug davon haben und dann wird ein Badge von diesem Barren produziert. Vor der eigentlichen Produktion müssen die Produktionsanlagen gründlich gereinigt werden, um eine ordnungsgemässe Trennung zu gewährleisten. Anschliessend werden die Barren hergestellt. Die dabei entstehenden Abfälle, vergleichbar mit den Ausschneideteilen eines Bastelbogens, werden nicht weggeworfen, sondern ebenfalls gelagert und für die nächste Produktion wiederverwendet. Dies erfordert Lagerplatz und natürlich auch finanzielle Mittel. Dadurch entstehen die leicht höheren Kosten.
… und beim ETF haben wir dann noch die TER bei relativ tiefen 0.29%.
Ja, das stimmt. Im Vergleich zur Konkurrenz sind wir mit einem Aufschlag von 0.29% etwas günstig, und bieten den zusätzlichen Vorteil, dass unser Gold verantwortungsvoll beschafft und nachverfolgbar ist, im Gegensatz zu anderen ETFs, die diese Merkmale nicht aufweisen.
Eine abschliessende Frage: Warum gehört Gold in jedes Portfolio oder Haushalt?
Wir von Raiffeisen empfehlen eine Quote von 7% in einem diversifizierten Portfolio. Als Absicherung gegen Unsicherheiten.
Es ist immer ratsam, einen gewissen Goldbestand zu besitzen. Am besten bewahrt man ihn in einem Tresor oder einem Bankschliessfach auf. Dieser Goldbestand kann in Form von Münzen und Barren gehalten werden, als eine Art Notreserve, die man im Bedarfsfall nutzen kann. Falls man sie nicht benötigt, kann man sie auch weitergeben. Es ist immer eine schöne Geste, ein Goldstück als Geschenk zu erhalten. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich zu meinem Schulabschluss von meinen Grosseltern ein 10er-Vreneli bekommen habe. Es war zwar kein Vreneli aus dem Jahr 1911, aber dennoch ein wertvolles Stück. Ich besitze es immer noch und werde es meinen Kindern weitervererben.
Vielen Dank Herr Grollimund!
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Martin Grollimund
Raiffeisen Schweiz
Martin Grollimund ist 2013 zu Raiffeisen Schweiz gestossen und ist seit 2022 Leiter des Devisen- Edelmetall und Optionenhandels. Er blickt zurück auf eine über 25 Jahre Erfahrung im Handelsbereich. Seine berufliche Laufbahn startet er bei der damaligen SKA in Basel. Bevor er zu Raiffeisen Schweiz stiess, hat er bei diversen Gross- und Privatbanken in der Schweiz und im Ausland gearbeitet.